Ich fürchte, wir werden mit der Gottesgabe des Einundzwanzigers bei seinem Schöpfer keine Ehre einlegen.
Wir sind auf diese Sorte nicht eingestellt, sonst hätten wir nicht die Hälfte davon schon von den Hefen weggetrunken. Und was davon übrig bleibt, schwebt in der größten Gefahr, durch Unerfahrenheit der Produzenten und einzelner Händler zugrunde zu gehen.
Dies ist nicht vom Standpunkt der Genießer zu verstehen, sondern von dem des Volkwirtschaftlers, den es eine Sünde am Nationalvermögen dünkt, wenn Werte verfallen, die in solcher Vortrefflichkeit vielleicht nie wiederkehren werden.
Zunächst: Man ist sich über die Seltenheit und Kostbarkeit des letztjährigen Weines nicht genügend klar gewesen. Man verglich ihn mit 15, mit 17, mit 20 und vergaß, daß er sich überhaupt nicht vergleichen ließ, daß er eine Sache für sich war. Die „Vossische Zeitung“ in Berlin läßt sich von einem Sonderberichterstatter vom Rhein schreiben: „Von der jetzt lebenden Generation von Weinbauern kann sich niemand erinnern, jemals einen solch vorzüglichen Jahrgang erlebt zu haben. Ja, es ist kaum ein Wein zu verzeichnen, der in der Gesamtheit des Jahrganges auf so hoher Qualitätsstufe gestanden hat.“
Das gilt nicht nur vom Rheinwein, sondern auch von unserm 21er. Warum auch nicht? Das Jahr war eben so, daß an unsern Rebhängen zum ersten und vielleicht einzigen Mal der Riesling ausreifte. Und wenn unser Riesling ebenso reif auf die Kelter kommt, wie in Piesport und Ürzig und Zeltingen, warum soll dann unser Felser und Köppchen und Wuesselt usw. den Spitzen der Untermosel nachstehen?
Aber die Güte des 21ers wird sein Verderben werden.
Unsere Winzer sind auf solche Gewächse nicht trainiert, sie stehen dem sonderbaren Gebaren des Neuen vielfach ratlos gegenüber. Man vergleiche einmal die Art, wie man hier bis jetzt mit dem 21er umgesprungen ist, mit der Ehrfurcht und Andacht, die sie am Rhein den guten Jahrgängen entgegenbringen. Der Sonderberichterstatter der „Vossischen Zeitung“ schreibt darüber:
„Jetzt - Mitte März - ist die Zeit, wo man den 21er zu probieren vermag. Jetzt ist der 21er abgestochen worden, er wurde von der Hefe abgefüllt und ist blank, d. h. klar und durchsichtig. Die erste Gärung ist vorüber. In seinem neuen Fasse ruht er nun, bis er wieder zu arbeiten anfängt, und das geschieht bei allen Weinen, die noch nicht ganz fertig ausgebaut haben, in der Zeit der Weinblüte. „Wenn der junge Wein blüht, gärt der alte.“ Das ist eine erprobte Weisheit. Und in den großen Fässern, in denen jetzt der Wein liegt, gluckst und arbeitet es langsam und unsichtbar, bis nach einer neuen Abfüllung der Wein sich als noch klarer und reiser präsentiert, um schließlich im Laufe der Zeit ganz auszureisen und, wie der Ausdruch lautet: flaschenreif zu werden. Und selbst wenn er dann auf die Flasche gefüllt ist, arbeitet auch in diesen kleinen Mengen der Wein noch weiter und muß erst eine kurze Zeit der Unruhe durchmachen, bis er nach allen Regeln der Weinwissenschaft als der fertig trinkbare Wein angesprochen werden darf. Nun dauert dieser Prozeß der Entwicklung bei den einzelnen Weinen und Jahrgängen recht verschiedene Zeit. Je kleiner der Wein ist, umso schneller hat er seinen Zuckergehalt und seine Hefe verarbeitet. Die ganz kleinen Schankweine, die schon im Jahre nach ihrer Lese und Kelter zum Ausschank kommen, sind der Beweis dafür. Aber in den Kellern der großen Weingüter lagern oft Jahrgänge bis zehn und mehr Jahre. Im Kloster Eberbach, wo der berühmte Steinberger wächst, hat man Wein fast 20 Jahre schon auf dem Faß gehalten, bis er nach der Sachverständigenansicht zum Genuß würdig war.“
In zehn Jahren wird man hier vom Einundzwanziger nur noch wie vom Napoleon - oder vom Schinderhannes reden.