Der Gerechte erbarmt sich auch des Viehes. Er gründet zu diesem Zweck Tierschutzvereine.
Wenn wir denken: Vieh - so bedeutet das in unserer Vorstellung natürlich nur die Tierwelt, die sich der Mensch dauernd nutzbar gemacht und in seinen Kreis sozusagen aufgenommen hat, also Pferde, Kühe, Schafe, Schweine, Hühner, Hunde usw. Einen Tierschutzverein für Hasen, Rehe, Sauen, Hechte, Forellen, Rotaugen gibt es noch nicht.
Das Mitleid mit den Tieren müßte sich aber, soll es aus durchaus lauterer Quelle fließen, auch auf die Tiere des Waldes erstrecken, die uns sonst nichts angehen, auf den Fuchs, den Marder, das Wiesel, ja, auf den Schweinigel.
Die Freundin von der Mosel, die keinem Tierschutzverein angehört, aber Herz und Zunge auf dem rechten Fleck hat, erzählte uns die Geschichte von ihrem Igel.
Es ist eine einfache Geschichte, aber sie ist lehrreich und erbaulich.
„Wir hatten einen Igel geschenkt bekommen und freuten uns, daß er uns den Garten von Ungeziefer säubern würde. Aber der Igel hatte bald heraus, daß am Garten der Bach vorbeifloß, und eines Tages war er hinüber und verschwunden. Der Müllerknecht brachte ihn wieder, aber der Igel wußte den Weg in die Freiheit. So ein Tier hat von der Tücke und Niedertracht und Dummheit der Menschen ja keine Ahnung. Es denkt, wenn es uns die Schnecken und Larven und Mäuse wegfrißt, hat es seine Pflicht getan und wir müssen ihm dankbar sein. Es ahnt nicht, daß die Sorte Menschen, die man Apotheker nennt, die Sage verbreitet haben, Igelfett sei gut gegen allerhand Gebresten. Die Änn behauptet, wenn sie Halsweh hat, braucht sie nur Igelfett zu schlucken so dick wie eine Bohne und das Weh ist fort wie fortgeblasen. Also der liebe Herrgott schafft uns ein Tierchen, das im Garten die Polizei üben und Ordnung aufrechthalten soll, und die dummen Menschen gehen hin und schlagen es tot, um sein Fett zu bekommen!
Ich dachte, unser Igel soll keinem solchen Lümmel in die Hände fallen, und ich beschloß, ihn seiner Heimat, dem Wald, wiederzugeben. Ich tat ihn in ein Netz und trug ihn hinaus. Aber da zeigte der dumme Kerl, daß wiederum er kein Verständnis für die Sachlage hatte. Er stellte sich in seinem Netz wie verrückt, arbeitete in einem fort mit den Vorderfüßen und wollte nix wie raus. Du Rindvieh, redete ich ihm gütlich zu, siehst du denn nicht drüben die Männer im Feld. Kaum laß ich dich laufen, so sind sie hinter dir her, schlagen dich tot und schmelzen dir das Fett heraus!
Er immerfort gescharrt und gekratzt.
Da bekam er auf einmal den Wald zu riechen. Hui, die Nase hoch, und drauf los! Am Waldrand tat ich ihn heraus und ließ ihn laufen. Er sagte nicht lang adieu und verschwand in den dürren Blättern. So’n dummes Viech! Hat keine Ahnung, daß ich ihm das Leben gerettet habe. Warum kann man solchem Tier nicht beibringen, daß es bei uns im Garten sein schönes Auskommen und eine sichere Altersversorgung hätte? Sagen Sie es nicht weiter, diß ich meine Igel, wenn sie nicht bleiben wollen, wieder in den Wald trage, die Leute verstehen das nicht.“
Möchten Sie bei solchen Menschen nicht Igel sein?