Original

27. Mai 1923

Das erste Denkmal, das in Luxemburg seit Menschengedenken errichtet werden sollte, ist nie errichtet worden. Es war für Johann den Blinden gedacht, man stritt sich schon um den Platz, es soll sogar schon ein nennenswerter Betrag als Denkmalfonds vorhanden gewesen sein. Da verlief sich die Idee samt dem Fonds im Sande und seit Jahrzehnten spricht niemand mehr von dem Denkmal Johanns des Blinden.

Dann erstand als erstes das Amaliendenkmal im Stadtpark. Als es am 30. Oktober 1876 feierlich enthüllt wurde, sangen sie: „Des Volkes Scherflein hat in Erz - Ein Denkmal ihr erbaut - Der Fürstin, deren edles Herz - Ihr Volk umschloß so traut.“ Des Volkes Scherflein waren auf Betreiben der Regierung geflossen, denn die Prinzessin war in weitesten Volkskreisen so unbekannt, daß die Leute vom Land noch heute nichts aus ihr zu machen wissen und sie „die schwarze Muttergottes“ nennen. Zu St. Maximin wußten sie es besser. Dem Einfluß der weimarischen Prinzessin soll es zu verdanken gewesen sein, daß der Großherzog von Sachsen-Weimar in Versailles beim Friedensschluß die Wahrung unserer Unabhängigkeit durchsetzen half. Sie war am 20. Mai 1830 auf Schloß Welden in Seeverghem bei Gent als Tochter des Herzogs Karl Bernhard von SachsenWeimar-Eisenach und der Prinzessin Ida von SachsenMeiningen geboren und hatte am 19. Mai 1853 den Prinzen Heinrich der Niederlande geheiratet, mit dem sie während der Zeit seiner Statthalterschaft im Luxemburgischen heimisch wurde. Sie starb am 1. Mai 1872 und wurde von hier nach der Königlichen Familiengruft in Delft überführt. Der Einweihung ihres Denkmals wohnten mit dem Prinzen Heinrich bei: die Großherzogin von Sachsen-Weimar, Prinz Alexander der Niederlande und drei Brüder der Verstorbenen. Der deutsche Kaiser hatt einen GeneralAdjutanten als Vertreter und die Kaiserin ein Telegramm gesandt.

Am 5. November 1884 wurde auf dem Wilhelmplatz das Denkmal des Königs-Großherzogs Wilhelm II. enthüllt. „Selten waren unsere Straßen so belebt von gutgesinnten, lebensfrohen Bürgern im Kittel und im Frack, im Kattunrock und in der Sammetrobe, die gekommen waren, Oranien den Tribut ihrer Liebe und Anerkennung zu zollen.“

König-Großherzog Wilhelm III. wohnte nebst Gemahlin der Enthüllung bei. In seiner Begleitung befand sich der Erbprinz von Weimar in preußischer Garde-Uniform.

Das nächstfolgende Denkmal heißt Dicks-LentzDenkmal. Es gilt also nicht mehr einer Fürstlichkeit, sondern zwei Männern aus dem Volk. Aber man schien dazumal noch so wenig mit dem demokratischen Gedanken eines Denkmals für gewöhnliche Bürger vertraut zu sein, daß allerhand Einflüsse von oben dem Künstler ins Handwerk pfuschten und die ursprünglich gedachte Bedeutung des Denkmals durch billige Symbolik verschleierten. So wurde daraus ein Rebus und Nationalmirliton, nicht Fleisch und nicht Fisch. Wenn man unsern Unabhängigkeitswillen in Stein und Erz in den Tag stellen wollte, hätte man es an und für sich tun sollen, statt die Idee hinter einem sogenannten Dicks-Lentz-Denkmal zu verstecken, auf dem die heterogensten Dinge - reim dich oder ich freß dich - zusammengepappt sind.

Und heute weihen wir das Denkmal ein, dem wir wahrhaftig den Namen „Freiheitsdenkmal“ geben sollten. Es soll uns für alle Zeiten heilig sein im höchsten Sinn des Wortes, denn seine Symbolik reicht in Tiefen und Höhen, die auf den Urquell des tiefsten und höchsten religiösen Empfindens im Menschenherzen weisen.

Seit 1876 und 1884 ist bei uns vieles anders geworden. Für das Volksempfinden ist es heute sehr natürlich, daß wir Denkmäler setzen, die keine gekrönten Häupter, aber Söhne der Nation, schlichte Helden und Märtyrer einer guten Sache verherrlichen.

Dies Denkmal ist in viel höherem Maße, als jene andern, eine Sache Luxemburgs und der Luxemburger. Und auch die Fahnen und Uniformen von heute sind nicht mehr dieselben, die dazumal das festliche Bild belebten. Unsere Geschicke haben sich gewandt, und dies Freiheitsdenkmal ragt bedeutsam an der Zeitwende, die gestern und morgen voneinander scheidet.

Das Blut, das unsere Brüder auf fremden Schlachtfeldern vergossen haben, sei der Preis, den unser Volk für sein Glück von morgen bezahlt hat.

Dann darf kein Luxemburger an diesem Denkmal ohne das Gefühl des Dankes und der Ehrfurcht vorübergehen!

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KatalognummerBW-AK-011-2405