Original

4. Februar 1922

Frankreich hat mit dem Glanz, den es seinen Festen zu geben weiß, die dreihundertjährige Gedentfeier des Geburtstages seines großen Molière begangen, und wir werden uns mit einer bescheidenen, aber würdigen Feier anschließen.

Im Mai 1905 wurde auf unserer städtischen Bühne der hundertste Jahrestag des Todes Friedrich v. Schillers mit Prolog und einer „Wallenstein“-Aufführung durch das Straßburger StadttheaterEnsemble gefeiert.

Nachdem wir so diesen zwei Heroen der Bühnendichtung aller Zeiten gerecht geworden sind; ist es uns erlaubt, uns auf die Besten unseres eigenen Wachstums zu besinnen und auch sie zu ehren, wie sie es um uns verdient haben.

Am 24. Juli 1923 wird sich zum hundertsten Mal der Geburtstag des Luxemburgers jähren, dessen Werke in der Sprache unserer Heimat zuerst Widerhall im Volk zu wecken vermochten. Am 24. Juli 1823 wurde Edmund de la Fontaine gen. Dicks in seinem Vaterhaus am Wilhelmplatz (heute Galeries de France) geboren.

Es klänge anspruchsvoll, wollte man ihn den luxemburger Molière nennen. Indes, es ist schade, daß sich die Größe der Dichter im Vergleich zu einander nicht in Ziffern ausdrücken läßt, wie etwa die Seelenzahl der verschiedenen Länder. Man könnte dann feststellen, ob das Talent unseres Dicks zu dem Genie Molières in demselben Größenverhältnis steht, wie unsere Viertelmillion Seelen zu den 45 Millionen Frankreichs. Legten wir diesen Maßstab an, so würde uns niemand mehr der Unbescheidenheit zeihen können, wenn wir von Dicks als unserm Molière reden wollten.

Ob Molière oder nicht, er war uns der Dicks, und wir sind stolz auf ihn. Übrigens zeigt gleich sein erstes Stück, der „Scholdschein“, keine übeln Ansätze zu einer Charakterkomödie im Stile des großen Franzosen.

Aber ganz abgesehen von dem dramatischen Wert seiner Stücke ist er in unserm Schrifttum derjenige, der am tiefsten im Wesen unserer Sprache wurzelt. Trotz der durchaus französischen Geisteskultur, in der er erzogen und aufgewachsen war, ist seine Sprache für alle Späteren urbildlich geworden und geblieben. Man möchte von absoluter Rassereinheit seines Stils und seines Wortschatzes reden. Und nicht umsonst war er es, der zuerst im Koseng Ficelle die Verballhornung mit französischen Anklängen lächerlich machte. Später hätte, er mit demselben Recht die deutsche Verbastardierung unseres Dialekts aufs Korn nehmen können. Die Reinheit und Monumentalität seines Dialogs sind nie mehr erreicht worden. Er ist im allerbesten Sinn unser Klassiker, aber ein Klassiker, der bis auf den heutigen Tag von köstlicher Frische geblieben ist.

So weit schon ist er von uns abgerückt, daß die Zahl hundert! sich zwischen ihn und uns stellt!

Wir werden ihn feiern, wie er es um uns verdient hat. Diese Anregung kommt nicht zu früh. Ich hoffe mit allen Freunden unserer Sprache, daß sich bald genug ein Ausschuß bilden wird, um fstr die Ausarbeitung eines würdigen Festprogramms zu sorgen und daß sich Stadtverwaltung und Regierung nicht abseits stellen werden.

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