„Wer heute baut, muß verrückt sein oder wahnsinnig viel Geld haben,“ also geht heute die Rede.
Also gibt es unverhältnismäßig viel Leute, die entweder verrückt sind oder wahnsinnig viel Geld haben. Denn nie wurde seit Jahrzehnten so drauf los gebaut, wie heute, nie standen überall so unzählige Gerüststangen gen Himmel.
Der normale Verlauf wäre offenbar der gewesen, daß nach Wiederaufnahme der Arbeit das Kapital, das im Krieg von draußen her in die Stadthäuser gekrochen war, sich freigemacht hätte und daß eine Menge Häuser, die als Anlagewerte gekauft worden waren, auf den Markt gekommen wären. Denn es lebt sich als Rentner entschieden bequemer von hohen Dividenden, als von einem Mietzins, der einem durch Ärger mit dem Mieter, durch Plackereien, durch teure Reparaturen, durch gelegentlichen Ausfall vergällt und geschmälert wird.
Und trotzdem: Der Bedarf an Häusern stieg und steigt noch fortwährend. Die Wohnungsnot allein täte es nicht, es muß auch Geld in Haufen da liegen.
Eigentlich könnte dies Bauen an allen Ecken und Enden von erfreulicher Bedeutung sein. Wenn unsere vierfüßigen und gefiederten Mitkreaturen in Wald und Feld ihre Nester bauen, dann kommt die schönste Zeit des Jahres, dann geht es in der Natur aufwärts der Erfüllung entgegen. Ist es auch so, wenn Menschen Nester bauen? Hat ihnen ein großer Geist die Gabe des Vorausfühlens verliehen, mit der sie den Frieden erahnen, wie die Vögel draußen den Frühling? Lasset uns hoffen, und lasset uns glauben, daß die Stürme, die jetzt noch durch die Welt gehen, den Frühling in der Menschheit verkünden, wie sie ihn in der Natur einleiten.
Also vorläufig wird gebaut, es wird gebaut auf Maß und auf Vorrat, auf Bestellung und auf Spekulation, schön und häßlich. Eines ist mir angenehm aufgefallen: Die hohen Baukosten von heute haben der Einfachheit Vorschub geleistet. Man verzichtet auf hausteinerne Kinkerlitzchen, auf Fenster-, Türen- und Dachluxus, weil es heidenmäßig Geld kosten würde. Früher sah man an Straßen, die zwischen Kartoffelund Kornäckern hinausführten, bescheidene Bürger ihre Häuser im Palaststil errichten. Die sehen heute aus, wie eine Schöne beim Heumachen im Cul de Paris.
Wer Spaß an der Charakteristik der Geräusche hat, kommt beim Häuserbau als Zuhörer auf seine Kosten. Bei jedem Hausbau lassen sich drei große Geräusche unterscheiden. Das erste ist das Geratter und Gekrach der Karren, die das Erdreich aus den Fundamenten wegfahren. Das zweite ist das Klopfen und Schleifen der Steinhauer. Diese beiden Geräusche haben, wenn ich so sagen darf, Ewigkeitsklang. Als ob sie niemals aufzuhören bräuchten. Nichts ist in ihnen, das ein Ende verkündete.
Aber dann kommt das Gehämmer der Dachdecker. Das schallt freudig, siegreich, herausfordernd, definitiv durch die ganze Nachbarschaft. Jeder Schlag sagt zum Nagel: „Da sitz, und bleib fest, fertig ist die Laube!“ Wenn dieser Schall in der Luft ist, weiß man, das Haus ist unter Dach.
Bauen ist schön - Nichtbauen ist schöner. Also sagen alle, die hindurch gegangen sind. Genau wie beim Heiraten.
Und doch wird immer wieder gebaut und immer wieder geheiratet.