Plündern Sie gern?
Wenn wir im Luxemburgischen von Plündern reden, darf man sich nicht gleich Szenen aus dem Dreißigjährigen Krieg, aus Grimmelshausens Simplizissimus, vorstellen Wir bezeichnen mit diesem Ausdruck, der von Plunder kommt, respektlos die Tätigkeit des Umzugs. Wir „plündern“ deshalb nicht schlechthin, sondern wir plündern in einer bestimmten Richtung, wir plündern von der Stadt aufs Land und umgekehrt, von der Maria Theresienstraße nach der Baumbuschavenue, vom Bahnhof bis aufs Glacis usw.
Wenn ich nun frage, ob Sie gerne plündern, so meine ich also damit den Umzug. Nicht den gezwungenen, der eine Folge davon ist, daß Ihr Hausbesitzer Sie nach langen Ränken auf die Straße gesetzt hat, sondern den freiwilligen, freudigen, selbst gewählten Umzug nach einer Wohnung, die schöner, geräumiger, bequemer, besser gelegen ist, als Ihre frühere. Sie kommen in die neue Wohnung hinein, wie aus einem alten, verwachsenen, fadenscheinigen Anzug in einen neuen, der Ihnen paßt, der an Ihnen bestätigt, daß Kleider Leute machen.
Nun heißt es zwar, daß dreimal geplündert so gut - oder so schlecht ist, wie einmal verbrannt, daß in der neuen Wohnung keine Vorhänge mehr passen, daß die Kamine rauchen, daß das Haus feucht ist usw. Trotzdem gibt es Leute, die noch immer gerne plündern. Und ich müßte lügen, wenn ich sagen wollte, ich gehörte nicht dazu. Vielleicht hängt das mit Seelenwanderung zusammen.
Eine Dame meiner Bekanntschaft sagte mir, sie habe das Plündern auf dem Strich. Weil morgens „die Männer kommen!“ sagte sie mit Angstaugen.
„Die Männer“, das sind die hemdärmeligen Gestalten, die sich auf unsere geliebten Möbel stürzen, wie auf Feinde, die sie in einen Abgrund werfen möchten; die pietätlos unsere kostbarsten Vasen und wertvollsten Bilder gradezu bei der Gurgel packen, die beziehungsvoll in sich hinein schweigen, wenn man sie beschwört, doch mit diesem oder jenem Stück nur ja recht vorsichtig umzugehen - nur manchmal hört man ein unverständliches Brummen und bekommt auf eine diesbezügliche Frage keine Antwort. Und dann: Dieser trostlose Anblick, wenn unser intimster Hausrat im frechen Tageslicht auf der Straße steht und sich von Krethi und Plethi begaffen läßt - Möbel, die einem immer im diskreten Dämmer des Kämmerleins vertraut waren, die rechtschaffen ihren Platz ausfüllten und die nun in der Nüchternheit der breiten Öffentlichkeit so klein, so unbedeutend, so unzweckmäßig erscheinen.
Und doch, das „Plündern“ kann zum Fest werden, zur Quelle seltensten Genusses: Wenn man daran geht, sich sein neues Heim einzurichten. Das ist Schöpferfreude, fast wie Komponieren. Denn aus all den Zufälligkeiten der einzelnen Formen soll ein Akkord geschaffen, die Möbel sollen so gestellt, die Bilder so aufgehängt werden, daß ein harmonischer Zusammenklang dabei herauskommt, in den man sich mit Wonne einschaltet und versenkt.
Denn das Wohnen ist eine Kunst. Mancher wohnt in einem Millionenhaus wie ein kulturloser Banause, ein anderer in einer Mansarde wie in einer vor Harmonie förmlich klingenden Welt, deren Seele und Grundton er ist.