Zu den paar Dutzend Wörtern, die sich in Gedanken und Einbildungskraft auflösen, wie ein Festes in Flüssigem, gehört das Wort „Mauer“.
Die mannigfaltigsten Beziehungen knüpfen sich bei diesem einfachen Laut. Man denkt an biblische, historische und allerhand berühmte und berüchtigte Mauern. An die Mauern Jerichos und Jerusalems, an die chinesische Mauer, an Kloster- und Kerkermauern, an die Bastille, an die merkwürdige Mauer von Orange usw. Die Mauer, die meiner Phantasie von Kind auf am meisten zu schaffen machte, war die Preischer Schloßmauer. Sie umschließt in weitem Umfang den schönen lothringer Besitz der Familie de Gargan und ist wie ein Symbol der Abgeschlossenheit, der eigenen Scholle. Ein Gegenstück dazu ist bekanntlich die Mauer von Kockelscheuer, die einem schon wegen des Namens lieb sein kann, denn alles, was Scheuer heißt, steht auf altem luxemburger Bauernboden.
„Eine Mauer um uns baue - sang das fromme Mütterlein.“
Das Gegenstück: „Die eingemauerte Nonne, oder die kalte Hand um Mitternacht.“
Die eine empfindet das Einmauern als Schutz, die andere als Todesurteil.
Es kommt schließlich alles darauf an, ob man hinter einer Mauer oder vor einer Mauer steht.
Wenn Du, lieber Leser, über eine Mauer hinüber mußt oder möchtest, so stehst Du davor.
Möchten aber andere über die Mauer, wo es Dir lieber wäre, sie kämen nicht hinüber, so stehst Du hinter der Mauer.
Die Spitzbuben, die im Grund eingesponnen sind, sitzen für unsern Begriff hinter, für ihren Begriff vor den Kerkermauern. Weil sie eben herüber möchten.
Im Französischen wird oft von einer Mauer gesprochen, hinter der etwas vorgeht.
Es braucht aber nicht hinter jeder Mauer etwas vorzugehen. Wenn es z. B. hinter einer Mauer heraus stinkt, so kann es sein, daß einfach irgend ein Ry dahinter sitzt.
Dann hält man sich die Nase zu und macht, daß man weiter kommt.