Max Goergen huldigt dem Andenken des „Meeschter vum letzeburger Kome’disteck“ zu dessen hundertstem Geburtstag durch ein Volksstück, dessen Heldin eine der bekanntesten Dicks’schen Figuren ist: Das flatterhafte Mädchen von Götzen, das allen Männern gesallen wollte, um mit seinen Freiern zu prahlen, und das, von allen sitzen gelassen, als alte Jungfer am Affener Weiher endet.
Die Huldigung ist schön. Sie wäre noch schöner, wenn Max Goergen sich Mühe gegeben hätte, in den Geist seines Vorbildes tiefer einzudringen.
In einem Betracht hat er ihm mit Erfolg nachgeeifert. Er schreibt eine Sprache, die den Namen Luxemburgisch verdient, im Gegensatz zu der Prosa vieler Gleichstrebenden. Ich glaube kaum, daß diese Sprache an bodenständigem Klang und an Reichtum der Wendungen und Wörter von der eines andern unserer jungen Bühnendichter erreicht wird. Sie ist eine wahre Fundgrube von Ausdrücken, die seit Generationen im Volke Kurs haben und zu unserm eigentlichen Sprachgut gehören, unverfälscht durch Einsickerungen aus jüngster Zeit, die wieder zu verschwinden pflegen, wie sie gekommen sind. Einiges bei Goergen mag vielleicht nur in engerem Kreis Geltung haben, aber es ist jedenfalls von Alters her überkommen und seinem Wesen nach dem Geist unserer Mundart verwandt. Er hält seinen Stil rein von Bildungen, die nicht durch Tradition ihr Bürgerrecht haben.
Gehört er so sprachlich zu denen, die Dicks am erfolgreichsten nacheifern, so hat er dramatisch dessen Rezept nicht übernommen. Seinem Stück fehlt, was bei Dicks die Keimzelle des Werks ausmachte: der Konflikt, die Verwicklung und Lösung und demgemäß die Spannung. Bei Goergen ist Theatralik, Aufgeregtheit, Steigerung der Tonstärke, aber keine Dramatik, keine Handlung im wesentlichen Sinn des Wortes. Ein junges Mädchen hält zwei Burschen zum Narren und beide lassen sie sitzen, einer davon so nachdrücklich, daß sie ins Wasser geht. Diese bequeme Schlußtragik liegt nebenbei gesagt auch nicht auf der Dicks’schen Linie. Die Handlung entwickelt sich so, daß die Fäden bis zum Schluß parallel laufen. Kein Knoten wird geschürzt noch gelöst, auf keinen Höhepunkt wird der Leser geführt, von wo die Abspannung und der Abstieg zutal, der innerlich befriedigenden Lösung entgegen führen. Das sind anspruchsvolle Worte, auf die anspruchslosen Werkchen von Dicks angewandt, aber sie passen auch im Kleinen. Bei Dicks ist Intrige, Steigerung der Spannung, bei seinen Nachahmern von heute - nicht nur bei Max Goergen - findet man zumeist nur Steigerung des Affekts, der eintönig einem Fortissimo zustrebt. Die Meisten gefallen sich in komischer oder sentimentaler Milieuschilderung. Auch Max Goergen, nur daß bei ihm das Milieu infolge der Sprache wirklich Leben gewinnt.
Seine Rechtschreibung läßt auch er leider wild wachsen. Ausgemacht, wir kommen nie zu einer einheitlichen Rechtschreibung, weil sie nicht in den Schulen gelehrt wird. Aber wer in den Schulen deutsche Grammatik und Rechtschreibung gelernt hat, müßte dazu helfen, daß wenigstens das im Luxemburgischen vereinheitlicht wird, was im Deutschen von jeher seine einheitliche Grundlage hat. Warum z. B. das Wort wetten im Luxemburgischen wètten, also mit Akzent auf dem ersten e schreiben? Warum: „Dir kent“ schreiben, wenn wir gewöhnt sind an „ihr könnt“? Raten Sie einmal, was dies bedeutet: „dropukim“? Es ist nicht russisch, es ist die luxemburgische Übersetzung von „drauf ankäme“.
Gleich der erste Buchstabe auf dem Titelblatt ist ein Fehler: D’Medche vu Götzen. Im Sächlichen wird vom bestimmten Artikel das E aus Et eliminiert und durch Apostroph ersetzt: ’t Medche. Herr Max Goergen könnte das wissen, er wäre vermöge seiner Studien in der Lage, dazu beizutragen, daß wir wenigstens die allergröbsten Fehler zu vermeiden lernten. Das wäre auch eine Huldigung an Dicks.