Original

21. Mai 1924

Habent sua fata castelli. Auch Schlösser haben ihre Schicksale. Die bayrischen Königsschlösser, die prächtigen historischen Schlösser an der Loire u. a. m. interessteren uns weniger, als jenes, das uns viel näher liegt: das Schloß von Walferdingen.

Jedes Kind weiß, daß der ursprüngliche Van als Gestüt diente. Erst später wurde daraus ein Schloß, das sogar als amtliche und obligate Fürstenresidenz in die Verfassung kam. Das Gebäude erhob nie den Anspruch, mit Versatlles in Konkurrenz zu treten, aber der Park soll sehr sorgsältig angelegt sein. Er datiert, wie die älteren Leute sagen, aus einer Zeit, wo baumkundige Fachleute im Lande wohnten und wo gelegentlich ein Bauherr Spaß daran hatte, seinen Wohnsitz mit einer nicht alltäglichen Parkanlage zu umgeben. In jenen Jahren sollen zum Beispiel die herrlichen Pflanzungen von Colpach, Schrassig u. a. m., auch der Garten des Hôtel du Grand Chef in Bad Mondorf entstanden sein, dessen Gingko-BilobaPaar eine mitteleuropäische Sehenswürdigkeit bildet.

Seine Glanzzeit erlebte Schloß Walferdingen unter dem Prinzen-Statthalter Heinrich, der ein gemütlicher, zuweilen gar biderber Herr gewesen sein soll. Walferdingen war wirklich Residenz, es gibt noch da und dort einen früheren Krieger, der dazumal in der Umgebung des Schlosses in Quartier lag und träumerischen Blickes von jenen fidelen Tagen erzählt. Auch von den Weihnachtsbäumen, die Prinzessin Amalie für die Walferdinger Kinder jedes Jahr angezündet haben soll, geht noch die poettsche Sage.

Nach des Prinzen Heinrich Tode lag Schloß Walferdingen lange verwaist. Sein Bruder Wilhelm wohnte, wenn er ins Land kam, lieber auf Schloß Berg.

Dann kamen die kurzen Jahre, in denen Walferdingen als Residenz zu neuem Leben erwachte. Beim Hofphotographen Ahlen hängt im Laden eine alte Ausnahme, auf der Großherzog Adolph mit seinem schwarzen Jucker-Viererzug eine Ausfahrt macht. Der alte Herr lehnt mit seiner Zigarre gemütlich im Polster, neben ihm der Flügeladjutant Van Dyck, hoch vom Bock lenkt der Leibkutscher Koller das feurige Gespann, dem die Mähnen im Winde fliegen. Und vom Schloßperron sehen livrierte Lakaien der Absahrt zu. Wenn Sie gut hinhorchen, hören Sie das „hepp heppll“ des wackern Koller, das in der ganzen Stadt bekannt war und schneidiger wirkte, als ein Clackson auf einer 60 H.P.

Traurige Jahre folgten, und zum Zeichen der Trauer, scheint es, bekamen in der weißen Fassade die Einfaßsteine der Fenster und Türen schwarzen Anstrich, und die ganze Schloßfront sieht heute aus, wie eine Todesanzeige.

Aus dem alten Gestüt, das sich zum Königsschloß emporgeschwungen hatte, ist nun ein Kinderheim geworden. Wiederholt wurde der Versuch gemacht, wenigstens beim Schloßpark den Charakter als Nationalbesitz zu betonen, indem verlangt wurde, er sollte dem Publikum als Promenade freigegeben werden. Immer scheitert der Ankauf an allerhand Bedenken der Bautenverwaltung.

Jetzt soll ein Ausländer das Besitztum bewirtschaften und seine Schweine darin herumlaufen lassen.

So wäre Schloß Walferdingen wenigstens nicht auf den Hund gekommen.

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KatalognummerBW-AK-012-2663