Original

6. Dezember 1925

Ich habe eben mit steigendem Interesse den Rheinischen Heimatkalender auf das Jahr 1926 durchblättert. Der Untertitel heißt: Ein Jahreskreis in Wochenabreißkalendern, herausgegeben von W. Uhde, Direktor der Kunstgewerbeschule in Trier.

Prosessor W. Uhde sagt in seinem Geleitwort: „Eine Reihe unserer rheinischen Künstler war bemüht, die Schönheiten der engeren Heimat im Bilde festzuhalten oder die Absichten des Kalenders durch den Malstift zu unterstützen.“

In der Tat ist dieser Kalender durch die Beiträge von Künstlerhand zu einer Erscheinung ganz besonderer Art geworden. Nicht nur ist er für den Beschauer eine Verlebendigung, eine dauernde Vergegenwärtigung der Stätten, die seinem Herzen am nächsten stehen, er gibt auch einen Überblick über das Kunstleben in dem Umkreis, aus dem er hervorgeht.

Und da läge denn - Sie haben es schon erraten - der Gedanke nahe, daß wir bei uns einen ähnlichen Heimatkalender schüfen. Wir haben eine Kunstgewerbeschule, die zwar mißgünstig immer noch Handwerkerschule genannt wird, aber dem Typ der andern näher steht, wie es eine Forderung der Zeit ist. Wir haben an dieser Schule auch einen Direktor, der seine Befähigung als Mann der Feder nicht mehr zu erbringen braucht. Er könnte sehr wohl, wie sein Kollege Herr Professor W. Uhde von Trier, die Herausgabe eines Luxemburgischen Heimatkalenders in die Hand nehmen und im Zeichen dieses Unternehmens unsere sämtlichen Künstler gruppieren.

Das gäbe, neben dem jährlichen Salon, eine zweite Kunstausstellung, nur dauerhafter und mehr ins Weite wirkend, als die andere. So ein Kalender hinge in Tausenden von Stuben. Auf jedem Bild ruhten eine ganze Woche lang tagtäglich die Augen aller Hausgenossen: Glauben Sie nicht, daß sich alle diese Leute freuen werden, wenn sie später im Salon oder bei Wierschem oder im Haus eines Bekannten auf einem großen Bild den Namen wiederfinden, der ihnen von einer Zeichnung des Kalenders her vertraut ist? Gedruckt sein ist nicht nur für den Dichter eine Art amtlicher Anerkennung. So trüge der Kalender vielleicht dazu bei, daß sich das Luxemburger Volk für Kunst und Künstler interessiert, die aus seinem Blut und seiner Seele gewachsen sind und ihnen nicht mehr jeden ausländischen Kitsch vorzieht, der im besten Fall gegen die Bilder unserer Luxemburger Margarine gegen Butter ist. Unsre jungen Maler sind samt und sonders ernst und aufrichtig Strebende, die von kommerzieller Ausbeutung, Massenkitsch und dergleichen Dschungeln des Kunstbetriebs nichts wissen und nichts wissen wollen. Es ist eine nationale Pflicht, sie zu unterstützen, Verständnis für ihr Streben ins Volk zu tragen.

Dazu wäre der Heimatkalender ein Mittel. Ein Bild, eine Zeichnung wirkt lebendig in dem Maß, wie die Fühlung mit der lebendigen Strömung im künstlerischen Ausdruck der Zeit darin festgehalten ist. Wer ein solches Bild tagelang betrachtet, sieht daran fortwährend Neues. Nehmen Sie zum Beispiel im Trierischen Heimatkalender die Zeichnung „Hochzeit“ von Edgar Friedrich Ehses (der kann doch nur im Moselgau, wo die besten Weine wachsen, zuhause sein!). Das Bild besticht auf den ersten Blick durch anmutigen Fluß der Linien, flotte Bewegung, gute Komposition. Aber da ist ein Unbestimmtes, Unaufgelöstes, das Sie festhält. Wie ein Akkord, ehe er in die Harmonie vollkommener Fügung übergeht. Schließlich kommen Sie dahinter: Das Brautpaar schreitet außerm Tritt, sie setzt mit seinem linken ihren rechten Fuß vor. Jetzt sind Sie zufrieden. Sie wissen nun, das muß so sein, oder jedenfalls, der Künstler hatte seine guten Gründe, es so zu machen. Sie nehmen Anteil an seinem Schaffen, Sie werden sagen, wenn Sie irgendwo von ihm ein Bild hängen sehen: Aha, das ist ja der Ehses, den kenne ich, von dem habe ich schon mal ein gutes Bild gesehen.

Na, Anton, Franz, Peter, Gust, Ändre’, Guido usw., wann bringen wir denn unsern ersten Heimatkalender heraus?

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    Katalognummer BW-AK-013-3051