Original

5. Dezember 1925

Wenn die Belgier unsern Wein nicht trinken und nicht kaufen wollten, so hätten sie sehr Unrecht und setzten sich in Widerspruch zu den Gepflogenheiten ihrer Altvordern, die zu allen Zeiten wußten, was gut und erstrebenswert war, auch und zumal im Essen und Trinken.

Vielleicht das dauerhafteste Werk, das der literarische Genius Belgiens, des flandrischen Belgiens hervorgebracht hat, ist der Thijl Uilenspiegel des Charles de Coster. Es ist ein Buch aus den Eingeweiden des Volks, ein Buch in tyrannos mit dem gesundheitstrotzenden und gebrandschatzten Volk als lachende Kerntruppe dahinter. Und naturgemäß wird darin rabelaisianisch gegessen und getrunken. Kaum war der kleine Thill auf der Welt - „er ist behaubt,“ sagte Kathelijn die Hebamme fröhlich, „unter einem guten Stern geboren“ - da saate Soetkin, seine Mutter: „Komm trinken, mein Sohn,“ und bot dem Neugeborenen die schönen Trinkgefäße der Natur. „Die Krüge sind voll.“

Dieser Thijl Uilenspiegel ward geboren als Widerspiel zu Karl des Fünften Sohn Philipp unseligen Andenkens, also 1527. De Coster’s Werk erschien 1867. Die beiden Daten müssen wir uns werken, das zweite besonders.

Uilenspiegel kam auf seinen Streifzügen mit seinem Weggesellen, dem dicken Lamme Godzack, eines Tages bei einbrechender Dunkelheit nach Antwerpen.

Und Uilenspiegel sagte zu Lamme:

„Das ist die große Stadt; hier stapelt die ganze Welt ihre Reichtümer auf: Gold, Silber, Spezerei, Ledertapeten, Gobeline, Tuch, Samt, Wolle und Seide, Bohnen, Erbsen, Korn, Fleisch und Mehl, Häute. Wein aus Löwen, Namür, Luxemburg und Lüttich, Landwein von Brüssel und Aarschot, Wein aus Buley, Rheinwein, Wein aus Spanien und Portugal, Traubenöl aus Aarschot, das Landolium heißt, Burgunder, Malyasier und so weiter.“

Somit wäre also festgestellt, daß schon im 16. Jahrhundert unser luxemburger Wein würdig befunden wurde, in einer Reihe mit Rheinwein, Burgunder und Malvaster aufgezählt, also doch wohl auch getrunken zu werden. Das lag höchst wahrscheinlich daran, daß Wein im Luxemburgischen nur an den Stellen gezogen wurde, wo ihn die Sonne gar kochen konnte.

Überlegt man sich nun den Zusammenhang zwischen der Zeit, in der De Coster seinen Uilenspiegel schrieb und der liebevollen Erwähnung unseres Weines, so fällt einem auf, daß damals grade die Zeit war, wo der Fünfundsechziger in der Pracht seines Jugendfeners stand. Und es wäre nicht verwegen, anzunehmen, daß De Coster eines Fäßchens jenes Labetrunkes teilhaftig geworden und dadurch bewogen worden wäre, dem Luxemburger in seinem Buch ein Denkmal zu setzen.

Hiermit wollte ich alle seine Landsleute auf die Stelle im Uilenspiegel aufmerksam machen. Sie werden daraus entnehmen, daß sie sich und ihrer Weinzunge nichts vergeben, wenn sie neben dem alten Burgunder, der sie berühmt gemacht hat, auch unserm Wormeldinger Köpchen und Heiligenhäuschen, Bredimusser Felser, Ehnener Wußelt, und den altangesehenen Knass’schen, Stümper’schen, Clasen’schen, Bech’schen. Becker’schen usw. Kreszenzen von Grevenmacher und noch vielen andern ein bescheidenes Plätzchen einräumen.

Daß im übrigen De Coster zum Luxemburgischen Beziehungen gehabt haben muß, schließe ich noch aus einer andern Stelle. Der junge Uilenspiegel brachte eines Tages einen verwundeten Hund nachhaus. „Was ist zu tun?“ - „Ihn verbinden,“ antwortete Klaas, Uilenspiegels Vater.

Uilenspiegel setzte den Hund auf den Tisch. Klaas, Soetkin und er sahen nun beim Lampenlichte einen kleinen, roten Luxemburger, der auf dem Rücken verletzt war.

Ein gewiegter Cynegetiler erklärte mir, es müsse sich um ein Exemplar unsexer alten öslinger Steinbrake handeln, die rot und weiß gezeichnet ist.

Vielleicht locken obige Zeilen meine Landsleute, den Uilenspiegel zu lesen, und die Belgier, unsern Wein zu trinken.

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    Katalognummer BW-AK-013-3050