Ein Anonymus, der sich Grangler aus Spe’ßbech nennt, sucht mich gegen das Reklame-Wohnhäuschen am Äußern Ring scharf zu machen. Er hat Glück. Grade hatte ich die nachstehenden Zeilen zu Papier gebracht.
Eine ausländische Gesellschaft hat uns gezeigt, wie der Wohnungsnot wirksam zu steuern wäre, und hinter dem Merler Oktroi aus fertigen Zementplatten in ein paar Wochen und nymphenschenkelfarbigem Anstrich ein Wohnhäuschen gebaut, das so, wie es dasteht, 17 000 Fr. kosten soll.
Zunächst wäre an dies Ereignis der Ausdruck der Hoffnung zu knüpfen, daß dieser Platz endlich seiner natürlichen Bestimmung überliefert wird. Bis jetzt diente er dem staatlichen Bauamt als Ablagerungsstätte für Pflastersteine, Sand und sonstige malerischen Gegenstände. Das Straßenbild war dadurch in unverzeihlicher Weise verschandelt. Vielleicht hört das jetzt auf und der Platz findet als Baustelle Verwendung. Anderswo leisten sich die Behörden kaum so reures Terrain als Lagerstätte für Baumaterialien.
Nun zum Häuschen selbst. Ich hatte als sicher angenommen, daß es vom ersten Tag an bewohnt sein würde. Erstens kann man mit einem neuen Haus die Wohnungsnot nur dann wirksam bekämpfen, wenn man es nicht leer stehen läßt, zweitens läßt sich der Grad der Bewohnbarkeit eines Hauses nur dadurch feststellen, daß es tatsächlich bewohnt wird. So aber weiß man von dem neuen Häuschen nur, was man ihm von außen ansieht und was einem die Vertreter der Gesellschaft davon sagen. Man weiß nicht einwandfrei, ob es im Winter warm und im Sommer kühl ist, ob es praktisch eingerichtet ist oder nicht, ob es sich zu seinen Bewohnern verhält, wie ein treues, mütterliches Wohnhaus sich verhalten soll.
Daß ich mich schon bei dem Wunsch ertappt hätte, selbst das nymphenschenkelfarbene Häuschen zu bewohnen, kann ich nicht sagen. Etwas stört mich daran: Sein Pappdeckelaussehen. Unser Empfinden ist Häusern gegenüber nur auf Stein oder Holz eingestellt. Sogar ein Zelt ars gutem Segeltuch macht uns einen wohnlichen, traulichen Eindruck. Man fühlt: Durch den Spalt kriechen, geborgen sein!
Sowie aber ein Haus pappdeckeln aussieht, flößt es uns auf Anhieb kein Zutrauen ein. Es ist eine Frage des Makerials. Die Erfinder konnten die Zementplatten ja so gießen lassen, daß sie dem Hause von außen das Aussehen eines Steinbaues gegeben hätten. So, wie es ist, steht es nett und sauber aus, jawohl. Aber es gleicht zu sehr den Häusern, die man aus Papierbogen ausschneidet und nach Vorschrift zusammenklebt.
Ein Haus - das ist für uns schwerfällige Provinzler eine ernste Angelegenheit und muß solide aussehen. So, daß es eventuell als Vaterhaus sich sehen lassen könnte. Das könnte dieser rosa PuppenheimPappdeckelbau nicht. So wie der gibt sich kein Vaterhaus.
Er setzt auch keine Patina an. Wenn Wind und Wetter ihre Arbeit an ihm getan haben, wird es wahrscheinlich von der Farbe eines alten seidenen Unterrocks sein, den die Wäscherin auf der Leine ein Jahr lang vergessen hat. Unsere Häuser aus Holz und Stein dagegen überziehen sich im Alter mit jener Patina, durch die die Natur immer wieder zeigt, daß sie aus sich und bei sich keinen Farbenmißton duldet.
Vielleicht, wahrscheinlich sogar läßt sich über das rosa Reklame-Häuschen auch vieles Gute sagen. Nur ansohen tut man es ihm nicht.