Ein Freund, der längere Zeit in Cattaro lebte, schenkte mir einen alten Albanesensäbel. Ein Prachtstück mit einem gewaltigen Elsenbeintrumm am Knauf, mit eingelegten Steinen am Griff, mit einer türkischen Inschrift auf der Klinge. Ich verstehe kein Türkisch, aber ich nehme an, daß der albanesische Waffenschmied auf die Klinge einen Spruch graviert hat, in dem Allah um den Sieg über die Feinde angefleht wird.
Wir gesittete Mitteleuropäer dokumentieren unsern Blutdurst nicht mehr durch Säbelinschriften, aber wir veranstalten gottesdienstliche Feiern und flehen in unsern Kirchen zum lieben Herrgott um Vernichtung der Feinde. Das ist billiger und läßt sich gefahrlos hinter der Front abtun. Die albanesische Art gefällt mir besser.
Mein Albanesensäbel hat eine ganz eigenartig gebildete Klinge. Sie ist nicht krumm, wie ein Türkensäbel, auch nicht grade, wie ein europäisches Leutnantsschwert, sie ist sozusagen geflammt. Das französische Bajonett hatte eine Zeitlang ähnliche Form. Diese Albanerklinge war offenbar mehr aufs Stechen, als aufs Hauen eingerichtet. Sie muß im Leib des Feinde furchtbar klaffende Wunden verursacht haben, sie drängte durch das Fleisch, wie ein Schutzmann durch die Menge drängt, rechts und links Platz machend. Man sieht ihr die Mordlust an.
Ist Ihnen nie aufgefallen, wie die Mordwaffen der primitiven Menschheit den Tod auf grausame und komplizierte Art zu geben suchten, während sie sich umso mehr verfeinerten, je welter die Welt in der Zivilisation voranschritt? Vergleichen Sie einen Sensenwagen des Altertums mit einem modernen Tank. Der Anblick des Sensenwagens weckt Ihnen Gruseln, Sie spüren es spitz und kalt an Ihre Schienbeine und in Ihre Eingeweide fahren, sehen Sich Tage und Nächte zerfetzt auf dem Blachfeld liegen - der Tank ist schweigsam, verschlossen, vereinfacht, er macht saubere, konzentrierte Arbeit.
Oder sehen Sie Sich alte Schlachtbeile, Partisanen, Hellebarden, Spieße und Speere an: Man sieht förmlich den Waffenschmied nach Formen grübeln, die kannibalisch zerfleischen, den Feind möglichst unmenschlich zurichten. Und unsre Maschinengewehre! Die friedlichsten Dinger von der Welt. Sehen aus, wie optische Instrumente, mit denen Astronomen den Himmelsraum durchforschen u. sind die raffiniertesten Mordmaschinen und Todesspritzen, die der Mensch ersinnen konnte. Wir gesittete Europäer haben einen Trost Wir wissen, daß der Engländer Hiram Maxim das Maschinengewehr ersonnen hat, damit sein Vaterland besser die exotischen Stämme seines Weltreichs in Schach halten könnte. Es war also in der Hauptsache auf Farbige abgesehen. Oder wollen Sie das am Ende nicht als Entschuldigung gelten lassen?
Ich habe meinen Albanersäbel zusammen mit einem französischen Kavallerie-Offiziersdegen aufgehängt, der im letzten Krieg im Argonnerwald gefunden wurde. Die Spitze ist abgebrochen. Die Klinge ist schmal und grade. Es ist ihr keinerlei Sucht nach Komplizierung des Vorgangs Tod anzumerken. Sie legt Zeugnis ab für die Kultur Westeuropas gegen die Kultur der Arnauten. Kultur ist Einfachheit in der Mannigfaltigkeit, die Abkehr vom Bedürfnis nach Aussehen, esbrouffe. Wer in diesem Sinne einfach zu leben weiß, weiß auch einfach zu töten - und zu sterben.