Original

23. Januar 1921

„Jang a Klos“ sagt der Städter verächtlich, wenn er die Bauern in Bausch und Bogen bezeichnen will. Er meint damit, daß jedes dritte männliche Wesen auf dem Dorf entweder Jang oder Klos heißt.

Ganz stimmt es ja nicht, aber einigermaßen. Das liegt an dem konservativen Wesen des Bauersmannes und daran, daß jeder Taufpate es als eine Beleidigung ansieht, wenn sein Patenkind nicht nach ihm benannt wird.

Trotzdem nun in einem Dorf nur zirka ein Dutzend männliche Bornamen in Kurs sind - die Emil und Anathol und sonstige exotische Importware nicht mitgerechnet - so müssen die eingelnen Träger dieser Namen doch von einander unterschieden werden. Daher die Unmenge von Diminutiven, Abwandlungen, Abkürzungen usw.

Je häufiger ein Vorname ist, desto mehr solcher Abwandlungen sprossen aus ihm heraus. Es ist genau wie in kulinarischem Betracht. Für das gemeinste Gemüse, die Kartoffel, gibt es die meisten Zubereitungsarten. Sie wird gekocht, gequellt, gedämpft, gefoxt, gebraten, souffliert, gebacken, erscheint als Flocken, als Nudeln, als Püree, als Suppe, als Hobeispäne, als Reibkuchen, als Würste, imitiert alles und jedes - das soll ihr einmal der Spargel, der König der Gemüse, nachmachen.

So werden die häufigsten Namen am reichhaltigsten abgewandelt, während die seltenen in ihrer ausgeschriebenen Vornehmheit einförmig glänzen.

Was hat der Volksmund nicht alles z. B. aus Nikolaus gemacht! Nick, Nicki, Neckes, Nuck, Nuckes, Nuckeli, Neckel, Neckli, Necklos (Ton auf der ersten Silbe, sonst ist es der Heilige gleichen Namens) Rickela - dann die Varianten auf den zweiten Teil: Klos, Klees, Klas, Kleeschen, Klaischen, und das selten gewordene Kola, das früher im Ösling zuweilen in der Verbindung Kolami (Nicolas Aimé) vorkam.

Der hl. Johannes hat ebenfalls für eine ganze Armee von Namensschützlingen zu sorgen. Da ist zuerst der Johann mit dem betonten Jo, der Jean und der John. (Wenn nämlich ein Johann hierzuland die Livree anzieht, wird er auf deutsch, französisch oder englisch gerufen.) Dann kommen die Jang, Jäng, Jängl, Schang (speziell an der Mosel). Schängel (den luxemburger Schangel haben die Trierer glatt erfunden). Jann (schwebendes Doppel@), Jänny, Jännes, Hans, Haans, Häns, Hannes und Hännes.

Petrus: Pe’ter, Pe’t, Pitt, Putt. Als Diminutiv nur Pe’tchen und nur Putty, aber Pitty und Pittchen. Vornehm: Pierre; Demokratisch: Pier, Pierele’ (tommel doch!). Piero, mit der exotischen Variante Pungo.

Und dann der gute Franz! Die Überlieferung von Güte und Leutseligkeit kommt ihm aus Wien und Assist. Fränz klingt gar ein bißchen nach dem ungarischen Ferencz. In Bous bei Remich haben sie die holde Abart Frinz erfunden, aus der stellenweise schon Friny geworden ist. Das kokette Francis, das hier vor einem Menschenalter durch Herrn Berger zurzeit in Frankreich durch den Dichter Francis Jammes populär geworden ist, hat der luxemburger Volksmund zu Frahßy vergröbert. Aus dem Frahßy ist dann vollends ein Frahß geworden. Franz getauft sein und als Frahß durchs Leben gehen müssen, das ist hart.

Alle diese Varianten von Vornamen kleben sich an ihre Träger wie ein Stück von deren Individualität. Versuchen Sie einmal, diese Etiketts verkehrt zu hängen, einen Bekannten, der meinetwegen Jean heißt, Hännes zu nennen, oder einen, der im Volksmund als Franz lebt, Frahßy zu etikettieren, z. B.: Unser Altmeister Frahßy-Seimetz hat bei Segers usw., oder: Herr Frahßy-Glement Chefredakteur des „Escher Tageblatt“, usw. usw. Das ist eine Sünde wider den hl. Geist.

Dem geneigten Leser sei es überlassen, weitere Wirkungen auszuprobieren und daran zu lernen, wie sehr der Mann mit seinem Namen verwachsen ist.

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    Katalognummer BW-AK-009-1826