Die hochmögenden Herren, die in unserm Postwesen Regen und Sonnenschein machen, werden zugeben, daß sie hier schon unverantwortlich lange Zeit wegen des Skandals ihres Quäkersonntags nicht mehr angehaucht worden sind.
Damit sie nicht glauben, wir hätten die Fühlung verloren, sollen sie heute wieder einmal ein wenig aufgerüttelt werden.
Unser Publikum ist tatsächlich ein ruhiger Hammel und läßt sich viel gefallen, ohne aufzumucken. Seit Jahr und Tag hat es sich nun durch die Post von Samstag abend bis Montag früh von der Welt abschneiden lassen; alle Sonntage passiert irgend wo im Land irgend eine peinliche Geschichte infolge der absoluten Sonntagsruhe, das Publikum hält still. Nur im Privatgespräch ärgert man sich und schlägt auf den Tisch und findet, daß das aufhören muß. Der Herr Postminister erklärte seinerzeit, es ginge nicht anders, die Sonntagsbestellungen würden Hunderttausende kosten. Es wurde ihm bemerkt, dann solle er die Posttarife erhöhen; wenn alles das Drei- und Vierfache koste, sei es lächerlich, daß er seine Briefmarken noch zum Vorkriegspreise verkaufte. Darauf meinte er, das ginge auch nicht - alles geht immer nicht - das Publikum würde ihm die Bude stürmen, wenn er mit dem Porto in die Höhe ginge.
Inzwischen hat er das Porto um 50% erhöht und die Sonntagstodesruhe doch nicht abgeschafft. Für unsere Briefverteilung im Land ist „hundsmiserabel“ noch ein Kompliment, wir haben ein Telephonsystem, das aus dem Gebrauch des Fernsprechers einen Anlaß zur Gelbsucht für den Kunden und für das Personal macht, und dann gestattet man sich noch den Luxus einer Sonntagsruhe, wie sie vielleicht nirgends auf dem europäischen Festlande besteht.
Man hat es hierbei nicht auf das Personal, sondern auf das System abgesehen. Bei einem mangelhaftn System ist allemal das Personal unter den Leidtragenden.
Es soll auch niemand im Einzelnen denunziert werden. Aber wenn sich ein Abonnent bei uns über Rücksichtslosigkeiten seines Briefträgers beklagt und wenn die sich daraus ergebenden Mißstände für ihn mit der Sonntagsruhe zusammenhängen, so kann die Flucht in die Öffentlichkeit vielleicht einmal heilsam wirken.
Ein Abonnent aus einer jener Gegenden, wo auf die „Luxemburger Zeitung“ vom Klerus und seinem Anhang Jagd gemacht wird wie auf einen Bauernschreck, sieht sich veranlaßt, Beschwerde zu führen wegen der mangelhaften und nachlässigen Verteilung der „Luxemburger Zeitung“ seitens des dortigen Briefträgers. Er schreibt: „Wegen der Sonntagsruhe wird die letzte Verteilung Samstags abends nach 7 Uhr gemacht. Am Dienstag morgen erhielt ich wieder die erste Zeitung Nr. 16 Morgenausgabe von Sonntags sowie die Nr. 17 Abendausgabe am selben Tage. Am Mittwoch wieder Nr. 16 Morgenausgabe von Sonntags sowie die Nr. 19, irrtümlich Mittwoch Abendausgabe datiert. Am Donnerstag morgen die beiden Nr. 19. Also, was dazwischen fehlt, können Sie merken. Wenn ich zwei die nämlichen Nummern erhalte, so habe ich noch einen Leidensgefährten, der auch zweimal das Nämliche zum Lesen erhält, und für uns beide hat dann Ihre Zeitung nicht viel Wert mehr. Ich bitte Sie deshalb, energisch dahin wirken zu wollen, damit wir regelmäßig „bedient werden. Solch ein Benehmen trägt wahrlich nicht dazu bei, Ihre Abonnemente zu fördern.“
Wenn mich der Herr Postdirektor bittet, ihm Namen zu nennen, so werde ich das natürlich ablehnen. Aber vielleicht liest der Briefträger. den es betrifft, diese Zeilen und bessert sich. Und vielleicht denkt der Herr Postminister auch darüber nach, wie zweckmäßig es ist. Nachrichten, die Sonntags früh noch leidlich frisch sind, Dienstags unter die Leute zu bringen.
Es müßte ihm ein paarmal passieren, daß ihm ein Bekannter im Hochsommer Samstags abends aus dem Ösling Forellen schickt, die ihm Dienstags bestellt werden, dann lernte er vielleicht anders über die Sonntagsruhe denken.