„Und doch hatte ich ihnen gesagt, sie sollten einander lieben!“
Man denke sich den Heiland, den Friedensfürsten, den Verkünder eines Evangeliums der Liebe, inmitten des Grauens eines modernen Schlachtfeldes, und man kann ihm obigen Ausspruch nachfühlen.
Ein Künstler eigener Art hat ihn ihm nachgeschaffen. Herr Henri Hübsch, der Spezialist für großzügige Arbeiten in getriebenem Kupfer, hat zu seinem neuesten Werk den Heiland auf dem Schlachtfeld als Vorwurf genommen. Es handelt sich um ein wirkliches Gemälde in getriebenem Bronzeblech, mit einem großen Mittelteil, das das Hauptfüjet darstellt, und glossierenden Rahmenbildern.
Der Wert des originellen Werkes ist ein doppelter. Es verkörpert zunächst die milde, aber ungeheuer bedeutungsvolle Satire, die in der Anwendung der Heilandworte auf die heutige Welt, nicht nur auf die Menschheit der. Kriegsjahre, liegt. Diejenigen, die sich das Christentum wie einen Theatermantel umwersen und vor aller Welt als die ersten und berufensten Vertreter und Verteidiger der christlichen Idee paradieren, sind immer diejenigen, in denen der Kriegsgedanke seinen Brennpunkt findet. Aus der Religion sind Kirchen geworden, aus den Menschen Nationalisten. Und wenn sie sich einmal gründlich zur Ader gelassen, an einem Tag Werte zerstört haben, irdische und seelische, zu deren Schassung sie Jahrhunderte gebraucht hatten, dann tritt der Herr unter sie, hebt seine segnende Hand über den rauchenden, schwelenden, stöhnenden Graus und sagt; „Und doch hatte ich Euch befohlen, daß Ihr einander lieben solltet!“
Die Arbeit Henri Hübsch’s zog vom ersten Tag, wo sie im Eckfenster des Viçtoria House, am Geleisdreieck Groß- und Arsenalstraße ausgestellt war, die Beschauer massenhaft an. Wahrscheinlich wegen des wirkungsvollen Süjets, hauptsächlich aber wegen der einzigartigen Technik. Diese verdiente es, in ihrem geschichtlichen Werden und in ihrem Wesen einmal ausführlich besprochen zu werden, aber dazu ist hier nicht der Ort. Es möge genügen, festzustellen, daß das vorliegende Werk von Henri Hübsch das einzige größere Genrebild ist, das in dieser Technik ausgeführt wurde. An fabrikmäßig hergestellten Arbeiten dieser Art fehlt es nicht, gegossene oder ziselierte Reliefs sind ebenfalls nicht selten, aber die Kunst des Handtreibens ist derart mühsam, daß nur wenige sich ihr widmen. Und doch sind damit Wirkungen zu erzielen, wie sie in keiner andern Technik möglich sind.
Henri Hübsch stellt Christus den Herrn dar, wie er aufrecht zwischen Leichen und Verwundeten steht, vor dem Hintergrund einer lohenden Feuersbrunst und dick geballter Rauchschwaden. Der Künstler hat die Schwierigkeiten förmlich gesucht. Und wenn manchmal in einem Gesichtsausdruck dies oder jenes beanstandet werden kann, so ist eben zu bedenken, daß hier zwischen das Wollen des Künstlers und das fertige Detail mehr und hartnäckiger denn je sich die tückische Materie hineindrängt. Man vergesse auch nicht, daß an das Kunsthandwerk nicht dieselben Anforderungen gestellt werden dürfen, wie an die höhere Kunst. Kunsthandwerk ist das Werk der könnenden Hand, und es hat den edeln Zweck, die bürgerliche Wohnung mit echtem, vollwertigem Zierrat zu schmücken. Man kann nicht laut genug predigen, daß kein noch so bestechend wirkendes Fabrikerzeugnis die Arbeit eines geschickten Kunsthandwerkers in dem Schmuck des Bürgerhauses zu ersetzen vermag.
In diesem Sinn reiht sich die Arbeit Hübsch’s „Christus auf dem Schlachtfeld“ seinen früheren Werken dieser Art würdig an, steigert sie bis zu einem Grad, den er schwerlich noch übertreffen wird.
Ihr Wert wird durch die köstlichen Schmiedearbeiten erhöht, mit denen Marcel Langsam sich an der Ausbildung des Rahmens beteiligt hat.
So wie sich das Ganze darstellt, ist es ein Werk von luxemburger Könnerhänden, dem ein Ehrenplatz im Lande zu gönnen wäre.