Es waren einmal drei rotseidene Pierrots, die aber eigentlich keine Pierrots waren, sondern Pierrettes. Und sie hießen die erste Inka, die zweite Minka und die dritte Tinka.
Wenn sie quer durch den Ballsaal liefen, spannte die rote Seide ein ganz klein wenig um die Hüften, und daran erkannte jeder, daß sie keine Pierrots waren. Und Männerarme wurden zu Schlagbäumen, aber die Pierrots brauchten Gewalt und paschten sich zollfrei durch.
Jede der drei rotseidenen Pierrotkappen war mit einer Schleife aus breitem weißem Tüllband geschmückt. Die Schleife saß lose auf dem roten Käppchen und schlug zitternd mit den Flügeln, wie ein weißer Schmetterling auf einer runden roten Pfingstrosenknospe.
Die drei rotseidenen. Pierrots glichen sich, wie eine Hagebutte der andern in der Herbstsonne. Hatte Inka bei einem Tänzer gesessen und ihren Champagnerkelch halb ausgetrunken, so ging sie fort und tanzte einmal durch den Saal. Wenn sie dann wieder kam und den Kelch austrank, war es auf einmal nicht mehr Inka, sondern Minka. Und wenn dann Minka ihrem Tänzer einen Kuß versprochen hatte und er ihn einlösen wollte, sagte Tinka, sie wisse nichts davon.
So ähnlich sahen sich die drei rotseidenen Pierrots, daß sie im Faschingstrubel fortwährend verwechselt wurden. Und als dann der Faschingstrubel immer höher stieg, da verwechselten sie sich selber untereinander und jede von den dreien wußte nicht mehr, ob sie sie selber oder eine der beiden andern war. Als Inka sich im Spiegel betrachtete, war sie im Zweifel, ob sie sich Minka oder Tinka anreden sollte. Und genau so erging es den beiden andern. Minka konnte sich um alles in der Welt nicht darauf besinnen, ob sie Inka oder Tinka hieß, und Tinka wußte nicht mehr, ob sie die Inka oder die Minka war.
Als sie wieder zusammen kamen, sprachen sie von ihrem Mißgeschick und waren sehr unglücklich. Denn jede wollte doch am liebsten sie selber sein und ihre Persönlichkeit nicht verlieren, wie Peter Schlemihl seinen Schatten.
Da beschlossen sie, einen Weisen, den sie auf einem Faschingsball morgens zwischen 3 und 6 Uhr getroffen hatten, um Rat zu fragen. Und der Weise sagte: Ihr habt Glück, Kinder, daß Ihr grade auf mich verfallen seid. Ich las einmal in einem alten Buch eine Geschichte von einem König aus dem Morgenland, der im Rausch einen Schatz verborgen hatte, damit ihn die Diebe nicht fänden. Als er wieder nüchtern geworden war, hatte er das Versteck vergessen und trauerte lange Zeit um seinen Schatz. Eines Tages vertraute er sich seinem Kanzler an. Dieser war klug und weise und sagte: Majestät müssen Höchstsich einen Rausch antrinken. Sobald Majestät Höchstsich wieder in dem Zustand befinden, in dem Majestät damals den Schatz verborgen haben, werden Majestät Höchstsich erinnern.“
Dem König war das ein willkommener Rat. Und es dauerte eine Zeitlang, bis der Schatz sich fand, aber der weise Kanzler behielt am Ende recht.“
„Was soll uns diese Geschichte aus dem Morgenland?“ fragte Inka. (Es kann auch Minka oder Tinka gewesen sein.)
„Nun gut,“ sagte der Weise. „Ihr müßt Euch wieder in denselben Zustand versetzen, in dem das Bewußtsein Eures Selbst Euch verloren ging.“
„Aha!“ sagten die drei unisono.
Beim nächsten Ball waren die drei Pierrots wieder zur Stelle.
Minka tanzte mit vielen Tänzern. Auf einmal nahm sie einer in den Arm und foxtrottete mit ihr über das spiegelnde Parkett. Da wußte sie: Es ist der, den ich lieb hatte, als ich noch sicher wußte, daß ich die Minka war. Und sie hielt sich an ihm fest, und setzte sich mit ihm in eine Fensternische und war glücklich.
Da waren nur noch zwei Pierrots übrig, die ihrer selbst nicht mehr sicher waren. Aber auch sie fanden sich auf dieselbe Weise wieder, die Tinka während eines Twosteps und die Inka bei einem halben Hummer mit Mayonnaise.
Die Stimme des Herzens hatte sie gerettet und sie schwuren, daß sie ihrem weisen Ratgeber ewig, oder wenigstens bis zum nächsten Faschingsball, dankbar sein würden.