„Unweit Clerf wurde vorgestern auf einem Acker, den der Eigentümer umzugraben im Begriff war, ein wohlerhaltener römischer Mosaikboden entdeckt. Als der Mann mehrmals mit dem Spaten auf Widerstand stieß, wurde er neugierig und räumte einen Teil Erdreich beiseite. Dabei legte er ein paar Quadratfuß des Mosaikbodens bloß. Mit Hilfe mehrerer Dorfgenossen wurden die Aufdeckungsarbeiten fortgesetzt, und ehe es Abend wurde, lag die ganze, zirka 30 Geviertmeter messende Mosaik offen. Sie ist aus daumennagelgroßen Steinchen in schwarzweißem Muster mit hübscher Umrahmung in denselben Farben ausgeführt. Aus der ganzen Umgebung waren auf das Bekanntwerden der Nachricht die Bewohner herbeigeeilt und bis heute ist der Strom der Neugierigen noch nicht versiegt. Man erwartet ein Mitglied der Regierung und eine Abordnung des Archeologischen Instituts, auch von einem bevorstehenden Besuch des Prinzgemahls ging schon die Rede.“
Wenn diese oder eine ähnliche Nachricht in den Tagesblättern erschiene, so würde sonder Zweifel Clerf für längere Zeit zum Mittelpunkt des Tourismus, des öffentlichen Interesses und des obrigkeitlichen Wohlwollens. Denken Sie doch! Eine römische Mosaik in unserm Land! Wir haben zwar schon den römischen Adler, aber er ist nicht römisch, wir haben auch die Nenniger Mosaik, aber sie ist nicht in unserm Land, wir haben unsere irisch-römischen Bäder, aber niemand kann sie benützen, weil sie so wahnsinnig zweckwidrig sind, daß man sich darin den Tod durch Erkälten holen muß - das alles haben wir, aber wir haben keinen römischen, keinen zweifellos echten, authentischen, wohlerhaltenen römischen Mosaikboden, als Zeugen dafür, daß es den Herren der Welt von dazumal bei uns gut gefiel und sie sich hier herum sogar ihre Villen bauten. Ich bezweifle keinen Augenblick, daß Herr Peter Prüm es durchsetzen würde, diesen römischen Mosaikboden zu einem nationalen Wallfahrtsort auszubauen. Wenn er mich dabei zurate zöge, würde ich unbedingt anregen, dicht neben dem Mosaikboden eine Heilquelle zu entdecken. Denn wo damals Römer saßen, da entsprang ganz sicher ein Gesundbrunnen. Über der Mosaik erhöbe sich bald ein stattlicher Bau mit einer Rundgalerie, von der aus man den kunstvollen Steinplättchenboden bequem betrachten könnte, um die Quelle herum würden sich bald moderne Hotels mit wohlklingenden Namen erheben - an die römische Vergangenheit anlehnend - und die Leute der Umgegend würden einen schwunghaften Handel mit römischen Münzen treiben, die sie entweder selbst auf ihren Äckern fänden noch besser - die fremden Touristen dort ausbuddeln ließen, nachdem sie sie vorher eingebuddelt hätten.
So ungefähr würde sich um Clerf oder dort herum das Los des römischen Mosaikbodens gestalten, wenn wir einen hätten.
Aber - aber wir haben ja einen!
Jawohl! Wir haben im Land einen römischen Mosaikboden, der genau ist, wie der, den ich oben hypothetisch beschrieben habe. Nur liegt er leider nicht im Ösling, sondern an der Mosel - das heißt, nicht einmal ganz an der Mosel, sondern unweit der Mündung eines Nebentales, in Bous.
Ich lasse mich köpfen, wenn mehr als ein halbes Dutzend meiner Leser von der Existenz dieses römischen Denkmals eine Ahnung hatten. Es muß um jeden Preis zum zweiten Mal entdeckt werden, diesmal aber energischer und nachhaltiger, als das erste Mal.
Die Auffindung geht in die Jahre 1870-80 zurück. Ein Herr Lenné, damals Eigentümer des nahen Reckingerhofes, der vor einigen Jahren in den Besitz des Herrn Konz-Haas überging, machte sich um die Bloßlegung besonders verdient. Er soll auch, wie ein sachkundiger Leser mir mitteilt, das Grundstück erworben und den Schutzbau über der Mosaik errichtet haben. Seither sei das Ganze in den Besitz des Staates übergegangen. Trotz einer um 1910 herum vorgenommenen Ausbesserung macht der Verfall bedenkliche Fortschritte. Es heißt schon, man habe ins Auge gefaßt, den ganzen Boden loszulösen und nach Luxemburg zu schaffen.
Lassen sich die Bouser das gefallen, so verdienen sie Prügel. Wenn die Bouser Jugend nichts Besseres zu tun hat, so soll sie doch einen Verein gründen zur Erhaltung und Verwertung der Römischen Mosaik im Interesse der Ortschaft. Ihre Heimat könnte durch dies Denkmal alter Zeiten noch berühmter werden, als sie es schon ist.