Die edelste, fast möchte ich sagen transzendenteste Männernase, die mir zu sehen vergönnt war, sah ich gestern an einer Büste von Albert Kratzenberg in der Ausstellung, von der hier schon die Rede war. Man sagte mir, es sei die Buste eines Munchener Professors, bei dem Kratzenberg Unterricht hatte. Diese Nase ist scharf wie ein Vordersteven, kühn wie ein Fähndrich, stolz wie ein Kampfflieger. Sie ist eine Synthesis, ein Programm, eine Lebensanschauung.
Aber für mich ist sie hier nur ein Vorwand, eine Einleitung.
Ich möchte nämlich noch ein Wort von der Kratzenberg-Schaak - Ausstellung sagen, um möglichst viele meiner Mitbürger zu ihrem Besuch zu veranlassen.
Dieser Kratzenberg und dieser Schaak sind beide treffliche Künstler, aber sie haben noch nicht begriffen, daß Klappern nicht nur zum Handwerk, sondern auch zur Kunst gehört. Sie meinen, wenn sie ihr Bestes in einem Zimmer auf einem ersten Stock am Parade- platz zusammentragen und hängen ins Fenster ein Plakat mit einer blutroten Maske, so staut sich gleich die Menge und fragt: Was ist denn da los? Da müssen wir doch gleich mal nachsehen, was das bedeutet.
Die rote Maske hängt da, und manche Besucher waren auch schon oben, und alle kamen von ihrem Besuch voller Staunen über die schönen Bilder und Plastiken zurück, aber diese manche sind nicht genug. Es müssen viel mehr hingehen, einer sollte dem andern die Türe in die Hand geben. Denn wir haben es mit zwei unserer Besten zu tun.
Schaak kannten die Luxemburger, die sich für Malerei interessieren, aus seinen eigenartigen Landschaften schon seit Jahren. Diesmal hat er noch ein paar Dorfansichten gebracht, mit denen er sich selbst übertrifft. Er hat auch bei den Futuristen seine Visitkarte abgegeben, aber ein gesunder Künstlerintellekt, wie der dieses Walferdinger Bauernsohnes, findet keinen dauernden Anschluß an derlei-Verrücktheiten. Eine einzige Schneelandschaft mit graurosa Sonnenlicht, wie die Nummer 12 seines Katalogs, wiegt den ganzen Futurismus und Cubismus auf.
Kratzenberg hatte u. a. die originelle Idee, die Melusina mit dem Fischschwanz als kleines Mädchen darzustellen, mit einem Frosch, der bewundernd ihr zu Füßen sitzt. Es ist eines der reizendsten Motive, die sich denken lassen. Und lieblicher, als das mollige Hänsel- und Gretelpärchen, läßt sich kein Kinderbild denken. Ich will mich nicht als Kritiker auslassen, ich will nur so eindringlich wie möglich sagen, daß es Pflicht eines jeden Kunstinteressierten ist, sich diese Ausstellung anzusehen.