Original

19. Februar 1921

Im Anschluß an das, was hier über die römische Mosaik von Bous vor einiger Zeit mitgeteilt war, schickt mir ein Leser einen Aufsatz von Ad. Reiners (Das historische Ösling) über das sogenannte „Tempelschloß“ bei Clerf. Darin ist zu lesen:

„Ein Kilometer nördlich vom Bahnhof Clerf dem ersten Bahnwärterhäuschen an der Eisenbahn nach Ulflingen gegenüber liegt am Waldessaum von „Böscheid“ das „Tempelschloß“. In der Volkssage des Oberöslings spielt diese „Ruine“ eine bedeutende Rolle. Eine trichterförmige Schachtöffnung wie eine Pfütze am Waldesrain bezeichnet die Stelle, wo Nachgrabungen angestellt worden sind. - Zwei Männer aus Boxhorn gruben Baumstöcke heraus. Gegen Abend stießen sie auf einen großen Stein, den sie vor ihrer Heimkehr heben wollten, koste es, was es wolle. Plötzlich stürzten sie mit dem Steine hinab in den Abgrund, wo sie wie in einem. Grabe gefangen saßen und nicht wagten, einen Schritt zu tun. Als der Morgen zu grauen begann, tappten sie herum und gewahrten mit Entsetzen ein. Gerippe an einer Kette angeschmiedet. Bei einer Berührung zerfiel das Gerippe. Die Kette wird in Boxhorn aufbewahrt.

Gab es denn Tempelherren hier, war es ein Tempelschloß? Keineswegs, denn die Ruinen dürften 1000 Jahre und mehr noch älter sein als der Templerorden.

Das jetzt ebene Plateau des Bergvorsprunges, nördlich von einem steilabfallenden Wiesentälchen, gegen Osten am Gemeindewege von jähen Felsriffen begrenzt, dürfte ehedem ein rundlicher Bergtegel gewesen sein, dessen Felsenspitze zum Bau eines römischen Castells, eines strategischen Wachtturmes, oder einer besestigten Privatvilla abgetragen und geebnet worden ist. Ziemlich große Ziegel mit den gewöhnlichen Merkmalen der Römerzeit, Ziegelpflaster von Badezimmern, Estricht, mit Kalk gemauerte Fundamente, selbst Aschen und Schlacken, welche eine Schmiede andeuten, wurden bei der Ausrodung der Hecken zu einem Felde entdeckt. Man fand eine viereckige Schelle, die in den 50. Jahren nach Luxemburg ins historische Museum geschickt ward.

Das Tempelschloß, jetzt ein entlegener, öder, ziemlich. unfruchtbarer, von Spätfrösten immer heimgesuchter Erdflecken, wo Dorngestrüpp und Brombeer üppig fortkommen, soll uns von den Autochthonen oder Ureinwohnern erzählen. Mustern wir den Erdboden, so finden wir denselben von einer Unmenge zerbröckelter Ziegel rötlich. Dieses Zeichen verrät eine römische Niederlassung, eine Villa oder gar die Privatfestigung eines begüterten Mannes. - Soll denn nicht hier ein Pfahlbau gestanden, wo in der Urzeit in einem künstlichen Moore, in einem Weiher, auf Pfählen eine Wohnung zum Schutze vor wilden Tieren gestanden haben? Sehr wahrscheinlich, denn aus dem Boxhorner Bächlern oder aus dem Waldwasser, das den Weiher der Wiese der Talschlucht speiset, war es leicht, das Wasser ohne Mühe hierher zu führen. Übrigens ist etwas höher hinauf im Walde der Boden sumpfig, was alles für einen Pfahlbau spricht.“

Der Aufsatz geht noch weiter. Aber obige Stellen genügen. Das Tempelschloß scheint mir zweifellos dasjenige von unsern „Altertümern“ zu sein, aus dem sich am meisten machen läßt. Sicher finden sich dort eines Tages Spuren einer prähistorischen Niederlassung, vielleicht menschliche Schädel, die noch älter sind, als der des Neandertalmenschen. Sicher aber härter.

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    Katalognummer BW-AK-009-1847