Original

23. Februar 1921

Ein Freund schreibt mir: „Eine hochbetagte Dame, die früher lange in Luxemburg lebte, jetzt aber im Auslande wohnt, hat für das Großherzogtum und seine Geschicke noch immer ein lebhaftes Interesse bewahrt. Sie möchte die Frage der Überführung der Gebeine Johanns des Blinden nach Luxemburg wieder in Anregung bringen und fragt, ob dies nicht durch Vermittlung der Luxemburger Zeitung erreicht werden könnte.“

Ich wüßte, ohne die Dame zu kennen, wirklich nicht, was ich lieber täte, zumal feit der erste luxemburger Prinz. der seit Jahrhunderten diesen Namen verdient, nach dem blinden Grasen getauft ist, den man mit demselben Recht, wie König von Böhmen, König der „Bohême“ nennen könnte. Wenn anders es bei den Königen und Rittern eine Bohême gibt, wie bei den Künstlern und Literaten. Die Lebensschicksale Johanns von Böhmen und Luxemburg waren jedenfalls sprunghaft, unfeierlich, selbstgewollt und antiphiliströs genug, um ihn uns als Mensch für alle Zeiten lieb und merkwürdig zu machen. Und wir sollen uns schämen, daß wir ihm nach nicht wieder ein Grab in unserer Mitte bereitet haben.

Grundlegend für eine Anregung zur Überführung der königlichen Überreste nach Luxemburg muß jedenfalls eine kurze Skizzierung ihrer bisherigen Schicksale sein.

Nach der Schlacht von Grécy wurde der Leichnam des für Frankreich gegen England gefallenen Helden am 7. September 1346 in der Benediktner-Abtei auf dem Münsterplateau in Luxemburg beigesetzt. Sein Sohn Karl ließ ihm ein prächtiges Grabmal errichten, um das die Standbilder der in Crécy mit ihm gefallenen fünfzig Ritter aufgestellt waren. 1543 wurde während der Feindseligkeiten zwischen Kaiser Karl und Franz I. von Frankreich die Münsterabtei von den Kaiserlichen, die Luxemburg hielten, aus strategischen Gründen eingeäschert, wobei auch das Denkmal zerstört und das Grab des hl. Schetzel verschüttet wurde. Die Franzosen vernahmen, als sie am 12. September 1543 die Stadt wiedereroberten, daß die Gebeine des blinden Heldenkönigs in der zerstörten Abtei unversehrt geblieben waren und ließen sie feierlich ins Kloster der Franziskaner überführen. Nach dem Frieden von Crespy schenkte Kaiser Karl V. den Benediktinern das Spital zum hl. Johann im Grund, wohin dann auch der Sarg mit den Überresten Johanns verbracht wurde. Das neue Kloster wurde im Gegensatz zu dem eingeäscherten NeuMünster genannt. Erzherzog Albrecht stiftete für die Grabstätte ein Denkmal, das am 6. September 1618 errichtet wurde. Während der Belagerung. Luxemburgs durch Créqui ließ der Prinz von Chimay am 22. Mai 1684 das Spital St. Johann in Brand legen, wieder wurde das Grabmal zerstört und wieder wurden die Gebeine gerettet, diesmal nach dem Refugium der Benediktiner in der Oberstadt. Einige Jahre später wurde die Abtei Neu-Münster wieder aufgebaut und die Benediktiner kehrten mit den teilweise angekohlten königlichen Gebeinen dahin zurück. Böhmische Soldaten, die 1744 durch die Stadt zogen, wollten die Ruhestätte ihres alten Königs sehen und jeder nahm sich ein Stückchen als Reliquie mit, wodurch, wie Feldmarschall Bender erzählt, der Leichnam sehr beschädigt wurde.

Im Sommer 1795, vor der Übergabe der Stadt an die Franzosen, ließ der letzte Abt von Neu-Münster, Bernhard Weis, die Gebeine des Königs Johann durch einen Schmied der Abtei, namens Peter Britzem, und einen Bedienten, namens Peter Welter, nachts in die Wohnung des Bäckers Adam Bastien in der Münsterstraße tragen. Bastien setzte die Gebeine unter dem Dach in einer Grotte bei, die in den dicht anstoßenden Felsen gehauen war. Als er sein Ende herannahen fühlte, enthüllte Bastien das Geheimnis dem damaligen Vorsteher der Gemeinde Luxemburg, Dutreux-Boch, dessen Schwiegervater J. P. BochBuschmann den Leichnam des Königs erst in seine Wohnung nach Siebenbrunnen und später nach Mettlach schaffen ließ. Dort sah den Sarg im Jahre 1833 der Prinz von Preußen, nachmaliger König Wilhelm IV., während einer Reise in die Mosel- und Saargegend und bat ihn sich von Herrn Boch-Buschmann gegen ein Geschenk aus. Als dies in Luxemburg ruchbar wurde, wandte sich die Gemeindeverwaltung am 20. Mai 1837 direkt an den Prinzen von Preußen um Vermittlung wegen Herausgabe der Gebeine. Der Prinz antwortete, der Verzicht bedeute für ihn ein großes Opfer, da König Johann unter seine Vorfahren gehöre, er wolle aber den Luxemburgern die Überreste König Johanns zurückgeben, sobald in Luxemburg das frühere Grabmal wieder hergestellt sei, wie vor Ausbruch der französischen Revolution. Inzwischen ließ der Prinz die Gebeine in der Kapelle zu Kastell an der Saar beisetzen, wo sie bis heute geblieben sind.

In der Sitzung vom 5. Juni 1839 beschloß der Stadtrat von Luxemburg, für die Überreste König Johanns auf einem öffentlichen Platz durch Subskription ein prachtvolles Grabmal zu errichten. In einer Kommission, die zu diesem Zweck auf der Stelle ernannt wurde, scheint die Anregung wieder eingeschlafen zu sein. Später, im März 1844, wurde sie neuerdings aufgenommen, ein Aufruf erging an das Land, König-Großherzog Wilhelm II. versprach einen Beitrag von 10 000 Fr., Bürgermeister Scheffer zeichnete 800 Gulden und ein jeder der beiden Schöffen Schmit-Brück und P. C. Würth 400 Gulden. Später konnte man sich wegen des Platzes für das Grabmal nicht einigen und die Sache verlief im Sand.

Vielleicht fangen wir diesmal am andern Ende an und entscheiden zuerst die Platzfrage.

TAGS
    Katalognummer BW-AK-009-1850