„Eine fleißige Leserin“ begeht den Irrtum, mich als Bankier zurate zu ziehen. Sie hat ein Sparkassenbuch von 3000 Fr. und beklagt sich, daß sie vom Vater Staat nur 3% von ihrem Gelde bekommt (sie verwechselt schon gleich den Staat mit der Sparkasse), während der Staat seinen Gläubigern 5½% bezahle. Und nun tritt sie an mich mit der Gewissensfrage heran, ab sie nicht ihr Sparkassenbuch einlösen und sich für die 3000 Fr. luxemburgische Anleihe kaufen soll. Statt 90 Fr. im Jahr bekäme sie dann 165 Fr.
Liebe fleißige Leserin, ich muß Ihnen gestehen, daß ich in Finanzfragen nicht den Mut besitze, andern Leuten meine Ansichten aufzudrängen.
Ich fasse die Rolle der Sparkasse allerdings nicht so auf, als ob diese da wäre, um den Leuten Gelegenheit zu geben, ihre Gelder vorteilhaft anzulegen. Sie ist in ihrem ganzen Organismus nur auf die Erleichterung des Sparens, nicht auf die Verwertung des gesparten Geldes eingerichtet. Sie bietet dem Sparer Gelegenheit, auch die kleinsten Beträge jederzeit dem Häuschen zuzutragen. Hat er sein Gefäß voll, so nimmt ihm die Sparkasse nichts mehr ab. Das ist schon ein Fingerzeig, daß er sich wegen Unterbringung seines kleinen Kapitals anderweitig umsehen soll. Ohne die Sparkasse hätte er sein Geld vielleicht rechts und links in Beträgen von 2, 3, 4 Fr. verplempert. Jetzt ist es auf 3000 Fr. angewachsen. Mit denen soll er nun etwas Gewinnbringendes anfangen und sich Platz zu einem neuen Häuschen schaffen.
Wenn Sie, fleißige Leserin, nichts Besseres wissen, so kaufen Sie Sich natürlich am sichersten luxemburgische Staatsobligationen. Wenn unser Vater- land dann verkracht und Ihre Obligationen nur noch den Wert alten Papiers haben, so haben Sie den patriotischen Trost, daß Sie die Katastrophe wenigstens hinauszögern geholfen haben, soviel in Ihren Kräften stand. Ich glaube natürlich nicht an den Bankrott unserer Heimat, im Gegenteil, aber was kaufen Sie Sich für meinen Glauben, nicht wahr?
Sehen Sie, fleißige Leserin, zu welchen Schwulitäten es führt, wenn man Schätze sammelt, die von Rost und Motten verzehrt werden, wie es in der Bibel heißt. Unsere Gelder von heute haben allerdings vom Rost nicht viel zu fürchten, aber Motten und Mäuse, Flammen und Moder drohen ihnen Vernichtung. Sie können mir wirklich leid tun!