Ein Vetter aus Amerika, den ich nie gesehen hatte - er ist Farmer irgendwo in den Staaten, wo viel Weizen wächst -, besuchte mich und frug, ob ich ihm nicht das Land zeigen wollte.
Also zeigte ich ihm das Land.
Er war im Krieg als private mit herübergekommen und interessierte sich noch stark für Uniformen. Jedesmal, wenn er ein Paar Hosen oder einen Rock aus O. D. erblickte, blieb er stehen und sagte freudig: Oh, I see!
Als uns der erste luxemburger Soldat in neuer Ausrüstung begegnete, fand er ihn sehr schön, aber so europäisch. Gendarmen, Förster, Briefträger, Wachund Schließleute, Note Radler. Boy Scouts, Eisenbahner, Hotelportiers, alle waren für ihn ein Gegenstand der Bewunderung, weil sie so malerisch europäisch aussahen.
Eines Tages sahen wir auf einer Brücke einen Mann stehen, der einen äußerst schneidigen Eindruck machte. Er trug einen Grenzaufsehertschako, eine amerikanische Lederweste und Reithosen aus dem kostbaren Stoff, den sie over there mit dem Namen Carduroy bezeichnen und der einen wesentlichen Bestandteil bei der Ausfittung eines Cowboy bildet.
Mein Vetter „stand“ den Mann sosort und sagte bewundernd:
«Fine looking feller, ain’t he?»
«Well. I guess so,» sagte ich zustimmend.
«Ye ah!» sagte er, Amerika ist ein feines Country.
„Ja,“ entgegnete ich, „was meinst Du denn, wen Du da vor Dir hast! Das ist doch ein luxemburger Grenzaufseher!“
«Oh, I see!» sagte er enttäuscht, und wir gingen weiter.
Eine Viertelstunde später begegnete uns ein Mann, der einen Grenzaufsehertschako trug, dazu einen Kittel und weiße Drillichhosen.
„Was ist das?“ fragte mein Vetter.
„Ein luxemburger Grenzaufseher, zu deutsch Douanier,“ sagte ich.
«Oh, I see!» machte er, diesmal ein wenig stutzig.
Eine Viertelstunde später kam auf dem Rad ein Mann, der einen Grenzaufsehertschako trug, dazu eine hellgrüngraue Litewka und französische InfanterieKnikerbokers mit horizontblauen Wickelgamaschen.
Ich sah den sragenden Blick in den Augen meines Vetters und sagte: „Ein luxemburgischer Douanier.“
«Shut up, you prune!» knurrte er, leicht beleidigt. „Du sagst immer, es ist ein luxemburgischer Douanier, und sie lucken immer ganz anders.“
„Ja,“ sagte ich achselzuckend. „das ist heute die Uniform der luxemburger Zollbeamten.“
„Multiform, willst Du sagen,“ verbesserte mein Vetter, denn er hatte im Athenäum bis auf Sexta studiert, ehe er mit seinen Eltern’ ausgewandert war.
Der Zollbeamte war vom Rad gestiegen und bat uns um Feuer für seine Zigarette. Mein Vetter fragte ihn, warum er und Seinesgleichen sich so wenig untereinander glichen.
„Wir sind beim Staat heute Bruder „Iwerenzeg“,“ sagte der Zollbeamte. „Wir sitzen, wie der Vogel auf dem Reis, ungewiß, ob wir nicht morgen schon unsere Daseinsberechtigung zu einem großen Teil verlieren. Wir sind Beamte mit denselben Rechten, wie die andern, aber der Staat hat nichts für uns übrig. Er gibt uns kein Geld für neue Uniformen, er verspricht uns einen Zuschuß, damit wir uns Räder anschaffen, um den neuen Dienst an der deutschen Grenze versehen zu können, und er läßt uns damit in der Luft hängen.“
«Oh, I see,» sagte mein Vetter. «Well, bei uns in Amerika ginge es anders, sure enough, wenn ich Douanier wäre! Wir würden die ganze business für eigene Rechnung mänedjen und dem Staat abliefern, was rest bliebe, wenn wir uns bezahlt gemacht hätten.“
„Schreiben Sie das in die Zeitung,“ sagte der Douanier. „Nicht, daß wir es den Amerikanern gleichtun wollen, aber damit sie oben daran erinnert werden, wie man uns vernachlässigt.“
„Ich schreibe gar nichts in die Zeitung,“ sagte ich. „Denn ich bin ein prinzipieller Gegner jeder Uniform!“