Eine grüne Wiese, am Horizont ein Wald als Abschluß, quer hindurch eine Bretterbahn, auf der neun Kegel sich zusammenrotten und über eine Kugel herfallen. Eine schwarz-weiß gefleckte Kuh steht in der Wiese und sieht aus großen, verwunderten Augen zu.
Haben Sie das Plakat nicht gesehen? An den drei Ostertagen, verkündet es, wird bei Schmitze Jampir im Bisserweg eine wertvolle Kuh ausgekegelt.
Dazu erhalte ich folgenden Brief:
Herr Redakteur! - Gestatten Sie, daß ich mich vorstelle: Ich bin die wertvolle Kuh, die an Ostern auf der Kegelbahn im Lokal Schmitz ausgespielt werden soll. Ich möchte dazu eine erste Bemerkung machen. Ich habe schon früher zugesehen, wie Kegel gespielt wurde. Neun dieser keulenförmigen Hölzer werden am Ende einer Bahn aufgestellt, eine Anzahl Burschen, meist muskulöse junge Leute, stellen sich zirka zwanzig Meter weit weg und rollen mit aller Gewalt kopsdicke Holzkugeln in die mühsam aufgestellten Kegel. Ich brauchte nicht lange, um wahrzunehmen, daß es darauf abgesehen war, möglichst viel Kegel umzuwerfen. Und nun frage ich Sie nur eines: Warum gehen die Leute nicht hin und stoßen mit den Füßen die Kegel alle zusammen um? Das wäre meiner Ansicht nach viel einfacher und weniger ermüdend. Man muß schon so dumm wie ein Mensch sein, um nicht von selbst darauf zu verfallen. Ich konnte mich jedesmal ärgern, wenn ich folche Kraftvergeudung sah, und hatte Lust, mit allen Vieren in das Spiel hineinzuspringen.
Nun werde ich also selber ausgekegelt. Ich weiß nicht, soll ich stolz sein oder traurig? Es passiert ja nicht leicht einer Kuh, daß sie auf öffentlichen Plakaten als wertvoll ausgerufen wird. Aber was ist besser, ausgekegelt oder verhandelt werden? Wird man verhandelt, so weiß man Bescheid, man hat sein regelmäßiges Fortkommen. Auf der Kegelbahn aber kann es mir passieren, daß ich in Gott weiß was für Hände falle. Vielleicht gewinnt mich so ein Schreiberlein, das meint, ich werde mit Papierschnitzeln gefüttert, und nicht weiß, welches von beiden die Milch ist. Oder am Osterdienstag Abend torkelt der glückliche Gewinner mit mir und einem HochfeiertagsHaberdatz gröhlend nachhaus und ich habe meine Last mit ihm, bis ich ihn glücklich heimbringe.
Einerlei, ich bin stolz darauf, das größte Haustier zu sein, das bis jetzt ausgekegelt wurde. Eine Gans, ein Kaninchen, ein fetter Hammel, alle bis zum fetten Schwein aufwärts waren schon dran. Ich bin die erste Kuh. Und wertvoll bin ich auch, das Plakat hat recht. Ich bin aus angesehener Friesländischer Familie, eine Großtante von mir hat die Milch geliefert, mit der die Königin der Niederlande aufgesäugt ist. Ich galt von Kalbsbeinen an als außergewöhnlich intelligent und alle Verwandten sagten, ich werde Karriere machen. Möge die gütige Vor- sehung es fügen, daß ich bei jenem Kegelturnier in gute Hände fallen. Vor sonstigen Preistieren, wie Schwein, Gans, Hammel und Kaninchen habe ich jedenfalls das voraus, daß der glückliche Gewinner Nutzen aus mir ziehen kann, ohne mich direkt aufzuessen. Ich kann wohl sagen, ohne mich zu preisen, daß meine Milch immer gern über den Höchstpreis bezahlt wurde.
Also, wer’s Glück hat, der führt die Kuh heim - oder den führt die Kuh heim, wenn er schief geladen hat.
In diosem Fall bürge ich nicht dafür, daß ich ihm nicht auf und davon gehe. Schon lange steht es bei mir fest, daß wir Rindvieh uns aus der heutigen Domestizität wieder zurück zur Natur entwickeln müssen. Ich mache schon lang dafür Propaganda, daß wir in die Wälder entlaufen und wieder zum Auerochsenstadium der Pfahlbautenzeit zurückverwildern müssen. Nur so kann die rindviehliche Gesellschaft wieder gesunden.
Also, Herr Redakteur, wenn am Mittwoch nach Ostern ein Mann zu Ihnen kommt mit einer Annonce: „Verlaufen eine wertvolle Kuh, schwarz-weiß gefleckt, hörend auf den Namen „Bläß“, so wissen. Sie Bescheid.
Hochachtungsvoll!
Die Obige.