Original

26. März 1921

Nicht nur die Kunst, auch jeder gute Witz ist international.

Tausendmal kommt es vor, daß Sie eine Geschichte hören, die angeblich in Luxemburg passiert sein soll und die Sie längst kannten, aber mit einem andern Schauplatz. Die „Adaptierung“ eines Witzes auf ein neues Milieu fällt anscheinend nicht unter das Urheberrecht. Und die Leute, die derart durch Verlegung der Handlung einer witzigen Anekdote einen neuen Glanz verleihen, tun es offenbar nur, um ihren Landsleuten ein Vergnügen zu machen.

Dies alles nur als Einleitung zu einem Sonderfall, der mir eben vorgekommen ist.

Ich hatte vorgestern den Neuesten aus Köln gehört. Ein Kutscher, ein Amerikaner und der Kölner Dom spielten darin die Hauptrolle. Und vor einer Stunde hörte ich ihn wieder, aber schon in echt luxemburgischer Aufmachung.

Ein Amerikaner hatte am Bahnhof eine Droschke geheuert und ließ sich zwischen zwei Zügen die Sehenswürdigkeiten der Stadt zeigen. Der Kutscher war ein begeisterter Lokalpatriot. Er machte gewissenhaft mit dem Bahnhof den Anfang.

„Das ist die neue Gare,“ sagte er zu seinem Fahrgast.

„Oh, sehr schön“, sagte dieser anerkennend. „Wie lange taten Sie daran bauen?“

„Drei Jahre,“ sagte stolz der Kutscher.

„Drei Jahre ist sehr lang,“ sagte der Amerikaner. „Bei uns oder there man hätte das in drei Monaten gebaut.“

„Wann dat ging,“ dachte der Nickla und lenkte sein Gespann über die Neue Brücke.

„Oh, was ist das?“ frug der Yank bei dem Neubau der Arbed.

„Das ist die Arbehd.“ sagte Nickla.

„Es ist nicht sehr hoch,“ meinte der andere. „Wie lang sie bauen daran?“

„Ein Jahr,“ beeilte sich der Kutscher zu antworten, und dachte: „De’ Ke’er hues de se gestoppt, Männchen!“

„Bei uns das hätte genommen vielleicht ein Monat,“ stellte der Amerikaner sachlich fest.

Jetzt fuhren sie an der Kasinoterrasse vorbei. Nickla deutete mit der Peitsche hinüber und sagte: „Das ist der Kasino, es hat zwei Jahre gedauert, für ihn zu bauen.“

„Well,“ schätzte der Fremde, „ich rate bei uns wir bauen das in zwei Wochen.“

Nickla war tief gekränkt. Er setzte sich auf seinem Bock stocksteif zurecht und gab es auf, den Fremdenführer zu spielen. Er fuhr mit dem Amerikaner weiter und tam auf den Wilhelmsplatz und am Wilhelmdenkmal vorbei.

„Was ist das?“ fragte der Amerikaner und deutete auf das Reiterstandbild.

„Das da?“ sagte Nickla verwundert. „Ja, das weiß ich auch nicht. Das hat gestern noch nicht da gestanden.“

Ich muß. sagen, mit dem Kölner Dom als Pointe ist der Witz besser.

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    Katalognummer BW-AK-009-1877