Ein Bekannter zeigte mir ein Kuvert, in dem ihm ein Brief aus Brüssel zugegangen und das mit 20 Centimes frankiert war. Die Marke zeigt indes nicht die sympathischen Gesichtszüge Alberts von Belgien, sondern die Gestalt des Diskoswerfers. Es ist eine der Marken, die 1920 während der Olympischen Spiele von Antwerßen ausgegeben worden waren und die damals nicht aufgebraucht wurden. Die belgische Postverwaltung hat nun die lobenswerte Idee gehabt, diese hübschen Marken noch nachträglich zur Frankierung zuzulassen, nachdem sie mit entsprechender Wertziffer überdruckt sind.
Unsere Post ist damit nicht einverstanden. Denn der Herr, der mir das Kuvert zeigte, sagte mir, er habe vierzig Centimes Strafporto bezahlen müssen. Auf diese Weise kostet also der Brief sechzig.
Warum soll die belgische Past für ihre Briefmarken nicht das Bild eines weltberühmten klassischen Kunstwerks benützen? Wenn einmal die internationale Briefmarke eingeführt wird, wird sich dazu nichts besser eignen, als eines dieser Kunstwerke, die ihrem Wesen nach gewissermaßen übernationale Bedeutung haben. Je nach ihrer Berühmtheit und anerkannten Schönheit würde sich der Wert der einzelnen Marken richten. Die Fünffrankenmarke würde unbedingt das Bild der Venus von Medici zeigen müssen, für die kleineren Werte wäre meinetwegen ein Tanagrasigürchen zu wählen.
Einstweilen haben wir es mit dem Diskoswerfer zu tun, den die luxemburger Post als Frankiermittel nicht will gelten lassen. Sie bekämpft ihn mit Strafporto.
Strasporto ist pedantische Anmaßung. Man leckt gegen den Stachel, wenn man das Wort hort. Warum soll ein sriedlicher Bürger gestraft werden, wenn er sich in keiner Weise vergangen hat?
Ich begreife, daß auf der Eisenbahn jemand, der ohne gültige Fahrkarte betrosfen wird, eventuell Strafe zahlen muß. Da liegt es nahe, daß der Mann sich an der Zahlung des geschuldeten Fahrpreises überhaupt vorbeidrücken wollte. Es gelingt ihm, wenn er an der Kontrolle vorbeikommt. Der Betrug ist möglich, unter Umständen sogar leicht. Darum begreift es sich, daß die Eisenbahn unter Umständen ein Strafgeld einzieht. Aber wo kein Betrug denkbar ist und keine Mehrleistung verlangt wird, wie in der Briesbestellung, wo von vornherein jede Absichtlichkeit ausgeschlossen ist, da ist es widersinnig, mit Strafporto zu operieren. Niemand wird absichtlich einen Brief unsrankiert oder ungenügend frankiert abschicken in der Erwartung, dabei 5 oder 10 oder 15 Centimes zu sparen. Man weiß bestimmt, daß das Fehlen der Frankatur unter allen Umständen festgestellt wird. Es kann sich also nur um ein Vergessen handeln. Die Post aber hat mit der unfrankierten Sendung nicht mehr Arbeit, als mit der frankierten. Der Brief wird befördert einmal wie’s andre Mal. Warum muß also der Empfänger das Doppelte nachbezahlen? Wenn wirklich durch das Strafporto jemand bestraft werden soll, so müßte es doch der Schuldige sein, und der ist in keinem Fall der Empfänger.
Verweigert dieser nun die Annahme, so wird die Post, falls der Absender angegeben ist, diesem den Brief zurückstellen. Sie befördert also die Sendung hin und zurück, hat damit doppelte Arbeit und verdient darauf gar nichts! Und der Schuldige - wenn man von einem solchen reden kann - geht straflos aus.
Am allersonderbarsten aber wirkt das Strafporto wenn, wie in unserm Fall, der Absender in Brüssel an die Post die vorschriftsmäßige Taxe von 20 Centimes bezahlt hat und der Empfänger hier 40 Centimes nachbezahlen muß, nur weil unsere Post sich im Augenblick nicht erinnert, daß der Diskoswerfer mit Aufdruck als belgische Briefmarke Kurs hat.
Wie wäre es, wenn das Publikum einmal den Spieß umdrehte und seinerseits der Post für jede Dummheit, die sie macht, Strafporto aufbrummte?