Als ich kürzlich in einer der elegantesten Städte Mitteleuropas am hellen Sonntag junges Volk durch die Straßen ziehen sah, den Rucksack übergeschnallt - offenbar Söhne und Töchter der guten Gesellschaft, die gar nicht proletarierhaft wirkten, aber gegen das sonntägliche Stadtpublikum mit einer Art heiterer Wurschtigkeit abstachen, - dachte ich daran, was ich früher einmal in Vorkriegszeiten vom Rucksack geschrieben hatte und welchen Platz während des Kriegs der Rucksack in unserer Verproviantierungsmühsal eingenommen hatte. Damals hatte ich mich über folgendes Bild entsetzt:
„Ein Mann ging durch den Saal, ein baumlanger Mann vom Aussehen eines Oberlehrers, der schon eine Römertragödie geschrieben hat. Unter dem Arm trug er wagerecht einen grauen Entoutcas und an dem Rockkragenumschlag, der das Knopfloch für den Roten Adler Vierter zu enthalten pflegt, baumelte an einer Klammer sein milchschokoladefarbener Strohhut. Soweit also nichts Anormales.
Aber hinter ihm kam sein ihm zweifellos ehelich angetrautes Weib.
Sie trug einen dunkelblauen Anzug, zu dem sie das Schnittmuster aus dem Blatt, das bekanntlich der Haussrau gehört, entnommen hatte. Und auf ihrem Rücken wölbte sich das Ungetüm eines zweischläfigen Rucksacks.“
Und der Anblick hatte mir folgende Erwägungen eingegeben:
„Es ist durch Natur-, Völker- und Privatrecht wie durch das Strafgesetzbuch verboten, auf Leute zu schießen, die in folcher Weise sich eines Majestätsverbrechens an dem allergewöhnlichsten guten Geschmacksschuldig machen.
Aber protestieren darf man dagegen, und es ist die höchste Zeit, daß der Rucksack vor dem großen B. V. gerettet wird, in den ihn Menschen von dem Schlage jenes Paares zu bringen im Begriff sind.
Der Rucksack ist der Freund des Menschen. Er stammt in grader Linie von dem großen geblümten Taschentuch ab, in das der Landstreicher seine Siebensachen knüpfte und das er sich an einer Schnur über die Schultern hängte.
Aber wir müssen den Rucksack da lassen, wo er hingehört, sonst rächt er sich durch Ruppigkeit.
Ein Jäger im Sportanzug, ein Tourist im kurzen Wichs, die gehören in den Rahmen, in dem ästhetisch der Rucksack zuhause ist.
Wenn aber einer in Gehrock und Zylinder eine Reise macht und sich dazu einen Rucksack überschnallt, so verdient er platterdings Haue.
Und ferner: Der Rucksack gehört auf den Buckel des Mannes und nicht der Frau. Man mag gelten lassen, daß bei fröhlichen Wandervögeln jedes Mädel seine Wurstbrote nebst Brennschere und Nachthemd im eigenen Rucksack trägt, um so seine unabhängige Einschichtigkeit zu markieren. Es ist dann auch demnach angezogen.
Aber daß eine Frau im städtischen Straßenanzug hinter ihrem Manne her den Toilettebedarf für die Nacht im Rucksack trägt, das ist eine Sünde wider den heiligen Geist. Sollte diese schauderhafte Geschmacklosigkeit weiter um sich greifen, so würde ich alle deutschen Frauen beschwören, dann doch lieber zur Hotte, als zum Rucksack zu greifen.“
Ach ja! Damals erschien uns der Rucksack, zumal der weibliche Ruckack, als ein wesentlich deutsches Kulturingrediens. Der Krieg hat uns eines Besseren belehrt In welchen Hause hangt heute nicht der treue Genosse jener Hamsterfahrten, von denen men bold einen Viertel Sester Erbsen, bald 10 Pfund Mehl, bald einige Kilo Speck, bald auch nur ein paar „Kochichten“ Kartoffeln heranschleppte! Wir haben es längst aufgegeben, den Rucksack als Kulturmerkmal zu werten Aber es wird Zeit brauchen, bis er nicht mehr hauptsächlich als Aushängeschild für Hamsterabsichten verpönt sein wird.