Original

13. April 1921

Aus einem Kulturroman aus dem Jahre 5000 nach Christus:

„Damals, um die Zeit jenes Krieges von 1914- 1918, der zum Ausgangspunkt einer Umgestaltung der Welt werden sollte - also vor beiläufig 3000 Jahren -, hatte die Technik schon einen bemerkenswerten Grad der Entwicklung erreicht. Man kann aus jener Zeit sogar die ersten Anfänge des Flugwesens datieren. Auch die Elektrizität war unsern Vorsahren aus dem Ende des zweiten und dem Anfang des dritten Jahrtausends schon bekannt, wenigstens dem Namen nach. Aus einzelnen Schriften. die aus jener Zeit auf uns gekommen sind, geht hervor, daß die Menschen von damals in ihrer naiven Auffassung und in ihrem Staunen vor den Wundern, die die Natur ihnen zu enthüllen kaum begonnen hatte, so weit gingen, ihre Zeit als das Jahrhundert der Technik, der Elektrizität zu bezeichnen. Heute, in der Epoche des interastralen Verkehrs, wo wir von Stern zu Stern in kürzerer Zeit fliegen, als damals auf der Erde die Menschen von einer Stadt zur andern, heute mutet uns das kindl - an. Und doch dürsen wir nicht vergessen, daß die Menschheit von damals bereits das Prinzip des Lebens erfaßt hatte. Sie hatte eine dunkle Ahnung davon, daß, da das Leben seinem Wesen nach Bewegung, Schwingung ist, es auf die Beschwingung, das Tempo, die erhöhten Bewegungsmöglichkeiten ankam. Mit den primitiven Mitteln, die ihr zu Gebote standen: Automobil, Eisenbahn, Flugzeug usw., suchte die Menschheit von damals die Berührungsmöglichkeiten von Individuum zu Individuum nach Kräften zu erhöhen, und im Vergleich zu der Zeit, die in der früheren Geschichte als Mittelalter bezeichnet wurde, gelang es ihr in recht anerkennenswertem Umfang.

In jene Zeit fällt die bekannte Anekdote, die, obgleich schon an die dreitausend Jahre alt, dennoch ihren Reiz nicht eingebüßt hat. Es ist die Geschichte von jenem Postminister aus Luxemburg der um jeden Preis berühmt werden wollte. Um ihn herum suchten alle Länder die Beförderung der Briefe - der Leser kennt die damalige Einrichtung der sogenannten Post aus der alten Kulturgeschichte - nach Kräften zu beschleunigen. Da der luxemburgische Postminister es ihnen nicht zuvor tun konnte, sich aber auf jeden Fall auszeichnen wollte, so rief er aus: Ich kann nicht der erste - gut, so will ich der letzte sein! Und er setzte alles daran, diesen Ehrgeiz zu befriedigen. Er brachte es so weit, daß ein Brief, der z. B. an einem Freitag Abend geschrieben wurde, am folgenden Montag in die Hände des Adressaten gelangte, wobei ein Weg von zirka 30 Kilometer zurückzulegen war. Uns, die wir eine Botschaft vom Mond zum Mars in knapp 24 Stunden befördern. mutet das wirklich luxemburgisch an. Aber die Anekdote ist durch mehrere Briefkuverts belegt, die in den Museen von London, Philadelphia und Schlindermanderscheid aufbewahrt werden und von denen bezeugt ist, daß sie keine Postkuriosa darstellen, sondern durchaus normale Fälle betreffen.

Und doch, Hut ab vor jener Zeit, in der zuerst der Gedanke Gestalt gewann, daß die wunderliche Einrichtung sogenannter Staaten, Nationen usw. aufgelöst und damit die Gewähr des ewigen Friedens geschaffen werden sollte .........“

Ich drucke diese Stelle aus dem Zukunftsroman ab, nicht, weil ich etwa hoffte, daß die Post sich dadurch zur Abschaffung ihres Quäkersonntags bewegen ließe. Man weiß zu gut, daß hierzuland die Behörden nie etwas tun, weil es die Presse verlangt. Aber es könnte ja sein, daß die Post einmal etwas täte, trotzdem es die Presse verlangt - weil sie längst eingesehen hat, daß sie mit der Sonntagsruhe eine Dummheit gemacht hat.

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    Katalognummer BW-AK-009-1885