Lieber Herrgott! Du bist ja so weit ein guter Mann und stehst, wenn man es recht betrachtet, Meinem weitläufigen Betrieb nicht ohne Geschick vor. Nur ab und zu haust Du daneben. So jetzt wieder mit dem Wetter. Erlaube, daß ich diesbezüglich etwas ausführlicher werde.
Wir haben uns hier unten die Mühe gegeben, den Jahresumlauf in eine ordentliche Form zu bringen, als Du das Jahr geschaffen hattest, rollte es einfach ab, ohne sich Rechenschaft zu geben, wo es grade dran war. Wir schufen den Kalender. Der ist eigentlich unser Jahr. Er hat zwölf Monate, 52 Wochen und 365 Tage. Man braucht nur einen Tag zu nennen, so weiß jeder, wo er im Jahr dran ist. Dein Jahr war wie ein Geschäft ohne Hauptbuch und ohne Kladde. Wir gaben ihm erst seine Bedeutung. Es hat uns Mühe genug gekostet. Ganze Völker, ganze Zeiten haben am Kalender gebaut. Nicht alle haben genau denselben, aber das Prinzip hat gesiegt. Wir halten uns hier an den gregorianischen Kalender, und nach allem, was uns in der Religionslehre beigebracht wurde, ist es derselbe Kalender, der auch im Himmel überall aufhängt.
Zu diesem Kalender haben wir uns das entsprechende Wetter gemacht. Frage unsere Maler und Dichter: Zu Weihnachten gehört Schnee, zu Ostern blauer Himmel mit Schlüsselblumen, zu Pfingsten Brautstimmung in der Natur mit Fliederdust und Nachtigallenschlag usw. Jede Jahreszeit hat ihr Wetter, jeder Monat seine Wetternüance. Eine Märzschauer ist ganz etwas anderes, als eine Aprilwetterlaune, ein Mairegen wieder ganz etwas anderes, als ein Regen im Juni, Juli und August.
Wir haben uns das so zurecht gelegt. Und wenn alles nach unserer Anordnung vor sich geht, gibt es ein Segensjahr, Obst, Futter, Getreide, Kartoffeln. Wein - alles gerät und alles wird billig.
Ab und zu richtest Du Dein Wetter nach unserm Kalender ein. Aber warum nur ab und zu, warum nicht immer? Es ginge doch in einem Aufwaschen. Vier Wochen Sonnenschein im Mai kosten Dich nicht mehr, als vier Wochen Sonnenschein im März. Ich glaube eher, daß Dein Gestehungspreis für Sonnenschein im März höher ist als im Mai. Und nun gehst Du hin und lässest im März-April ein richtiges Sommerwetter auf uns los, daß alle Knospen springen und die Konfektionshäuser nur noch die allerdünnsten Sommerkleider in die Schaufenster stellen. Die Dichter singen vom rauhen März, die Maler malen Leute, die vom Sturm fast umgeblasen werden, und Du spielst pränumerando die reinen Hundstage! Und hat hat man dann seine Wintersachen eingekampfert und alle Öfen ausgehen lassen, wirfst Du an der Wetterschalttafel schrumm! den Hebel herum, und wenn man früh aufsteht, ist die Erde weiß beschneit und die ganze Blütenpracht womöglich erfroren! Das ist doch höchst unwirtschaftlich. Diesen Schneefall hättest Du im Winter doch sicher um die Hälste billiger hergestellt.
Ich bitte Dich um Deiner selbst willen, lieber Herrgott, wozu diese Durcheinander-Wirtschaft mit dem Wetter? Wozu diese Mißjahre? Wäre es nicht viel einfacher und gütiger von Dir, Du ließest es regnen und schneien und ließest die Sonne scheinen und die Wolken ziehen genau nach dem Kalender? Wenn jetzt, wie es geplant ist, das Osterfest im Jahr ein für allemal festgelegt wird, mußt Du wirklich ernstlich daran denken, Deinen Wetterkalender mit unserm dauernd in Einklang zu bringen. Es muß für Dich ja auch viel angenehmer sein, das Wetter ein für allemal fertig zu machen, statt es der Tageslaune anheimzugeben und dabei jede Nas lang von einem Teil der Christenheit belästigt zu werden, wenn ein Bischof Gebete für oder gegen Regen oder Trockenheit angeordnet hat. Richte es also z. B. so ein, daß wir an Weihnachten mit Sicherheit auf Schnee und Eis, an Ostern, Pfingsten und andern Feiertagen, an Fastnacht, Schobermeß und im allgemeinen an den Sonntagen auf schönes Wetter rechnen könnten, außerdem auf Regen zu rechter Zeit - aber nur nachts -, auf Kalte im Winter, Hitze im Sommer mit gehörig temperierten Übergängen, so zwar, daß sich das meteorologische Jahr in vollster Regelmäßigkeit abwickeln würde.
Pardon, lieber Herrgott, daß ich Dir in Deine Sache so naseweis hineinregiere, aber es sind in punkto Wetter die letzte Zeit über so sonderbare Mißgriffe zu verzeichnen, daß ich dachte, Du hättest das Wetter vielleicht einem Asterunternehmer überlassen, der jetzt auf unsere Kosten damit herumexperimentiert. Komme ich später einmal dort hinauf, so können wir ja das Nähere besprechen. Wenn Du wirklich das Wettermachen vergibst, ich glaube, ich hätte Spaß damit.