C’est couru! Das Rennen ist aus. Vom ganzen Feld kommt nicht eine Kirsche, nicht eine Pflaume, Zwetschge, Birne, nicht ein Apfelchen übers Ziel. Selbst die Knospen, die wie warme Windeln ihr Fruchtknötchen dicht und mütterlich umhüllt hielten, wurden vom grimmigen Frost zuletzt durchdrungen. Er gab nicht Ruhe, bis er den letzten Keim gemordet hatte.
Und nun liegt das unfruchtbare Jahr vor uns, wie ein verdorbenes Leben, aus dem die Kinder weggestorben sind.
Das Obst ist immer etwas wie ein lyrisch-sinnlicher, poetisch-materieller Exponent der Jahreszeit. Die Dichter aller Länder haben die Kirschen, die Pflaumen, die Äpfel und Birnen im Zusammenhang mit der Liebe besungen, wie sie mit dem Kalenderjahr geht. Die „Kiischtebengelcher“, die aus den Körben der Marktfrauen emporstanden, kündeten den Höhepunkt des Frühlings, wie der Seidelbast im Wald seinen Anfang. Die ersten Frühbirnen auf dem Markt schmeckten immer nach Ferien, vom Apfel ganz zu schweigen, der immer wieder verkündet, daß es auf keine Dummheit Frau zulieb machen würde.
Dieses Jahr wird obstlos verlaufen. Die Bäume werden schön grün belaubt dastehen, aber ohne Frucht sein, wie die Nachkriegsbäche ohne Forellen. Und wir werden uns vorkommen, wie Kinder, denen das Dessert entzogen wurde.
Meine zwei schönen Kirschbäume, die mit ihren Zweigen an mein Fenster tippen, sind auch erfroren. Erst war ich sehr betrübt u. haderte mit dem Schicksal. Heute mischt sich in mein Leid ein Tropfen Genugtuung. Ich sehe nämlich die Amseln und Spatzen herumfliegen, die mir sonst alle meine Kirschen wegfraßen, und die jetzt zu merken scheinen, daß etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Und bei diesem Anblick erfüllt mich tiefe Schadenfreude. Wenn mir die Kirschen erfroren sind, gut, Ihr gefräßiges Volk sollt auch keine haben! So habt Ihr das davon!
Und ich bin so niederträchtig, daß ich grinsend hohnlache bei dem Gedanken, wie diese Kirschendiebesbande später anfliegen und die ganzen Bäume leer finden wird. Wie die frechen Burschen protestieren werden, überzeugt, daß ich ihnen die Beute heimtückisch vor dem Schnabel weggelesen habe. Und zu meiner Schande gestehe ich, es ist eine reine Freude, die ich bei dieser Vorstellung empfinde. Kirschen sind süß, aber Rache nicht minder.
Und nun sage noch einer, daß Politik nicht den Charakter verdirbt!