Auf das Pescatore-Stift ist jeder Luxemburger stolz. Schon deshalb, weil es seinerzeit das erste und einzige Gebäude war, das eigens für seinen Zweck erbaut wurde. Sonst mußte immer eine alte Kaserne herhalten.
Der großherzige Stifter, der eine halbe Million Franken für die Gründung des Stifters hinterließ, vermachte der Stadt zugleich einen Schatz, der materiell und geistig viel mehr wert war, als die 500 000 Franken des Pescatorestiftes. Und dieser Schatz ist seither so gut wie vergraben.
Es ist das Pescatore-Museum.
Um einer Stadt oder sonst einem Gemeinwesen Geld zu schenken, braucht einer nicht notwendig ein großes Vertrauen in diese Stadt oder dieses Geweinwesen zu haben oder für sie eine besondere Zuneigung zu empfinden. An Geld hängt man sein Herz nicht, man gibt darum mit ihm nicht ein Stück seiner selbst weg.
Aber an Bilder kann man sein Herz hängen. Und Bilder schenkt man nur dahin, wo man sie gut aufgehoben weiß, wo man wünscht, daß ihr Anblick Gutes stifte, und wo Menschen leben, denen man Gutes wünscht, denen man einen Genuß gönnt und denen man Genußfähigkeit zutraut.
In diesem Fall muß der Stifter J. P. Pescatore seiner Vaterstadt gegenüber sich befunden haben. Sonst hätte er ihr feine Bildersammlung nicht geschenkt. Er war reich und er hatte den Geschmack des Reichen, der auf des Lebens Höhen mit allen berühmten Stätten verfeinerter Kultur in Fühlung tritt. Seine Bilder stammen aus den damals berühmtesten Sammlungen Europas, u. a. denen des Königs Wilhelm II. von Holland, des Baron Van Nagell van Ampfen, des Königs Louis Philippe, der Herzogin von Orleans usw., wenn nicht direkt aus den Ateliers der Künstler. Es sind Stück für Stück hochwertige Meisterwerke, erstklassige Vertreter der Kunstrichtungen ihrer Zeit. Es sind von jenen Bildern darunter, zu denen man wallfahrtet, vor die man sich lange, immer wieder hinsetzt, um immer neue Schönheiten daran zu entdecken Wenn ein Mann sich von solchen lebendigen Werten trennt, indem er sie aus der Bahn des natürlichen Erbganges hinausleitet, sie denen, die seines Blutes und seines Geistes sind, entzieht, um sie zum Eigentum aller zu machen, dann will er, daß sie auch wirklich das Eigentum aller werden.
Und das werden sie nur dadurch, daß sie allen so freigebig wie möglich zugänglich gemacht werden. Das ist heute nicht der Fall.
Es ist schon unverzeihlich, daß die Stadt mit dem ihr geschenkten Talent nicht gewuchert, daß sie die Sammlung nicht fortgesetzt hat. Der Bildungswert unseres Pescatore-Museums - von seinem ethischen Wert zu schweigen - liegt darin, daß es die Kunst- epochen, die darin vertreten sind, mustergültig veranschaulicht. Hätte die Stadt seit der Schenkung auch nur alle fünf Jahre ein Bild gekauft, von dem man dasselbe für seine Zeit hätte sagen können, so wäre die Pescatore-Sammlung kein Torso geblieben, man könnte wenigstens an einem dünnen Fädchen die Entwicklung der Kunstauffassung durch ein Jahrhundert und mehr verfolgen. Und die Stadt hätte bewiesen, daß sie die Absicht des Stifters verstanden hat und willens ist, sich dafür dankbar zu erweisen.
Sie hat es nicht getan und hat sich damit gelinde gesagt blamiert.
Ein Verbrechen an der Bevölkerung aber ist es - ein Dauerverbrechen - daß dieses Museum bis auf den heutigen Tag keine absolut öffentliche Angelegenheit geworden ist. Es ist - als Provisorium! - zwar einigermaßen anständig untergebracht - wenn auch unter mangelhaften Raum- und Lichtverhältnissen - es steht auch in der Stadthaushalle angeschrieben, daß man sich wegen Besichtigung an den Pförtner zu wenden hat, Frl. Prinz macht ferner einen liebenswürdigen und sachkundigen Führer durch die Galerie - aber das genügt nicht. Da das Pescatore-Museum im großen Saal des Stadthauses untergebracht ist, sollte über den Stadthaustoren groß und weithin sichtbar angeschrieben sein: Musée Pescatore. Und es müßte ohne weiteres und unentgeltlich - mit Ausnahme vielleicht von gewissen Wochentagen - geöffnet sein, sodaß man ohne weiteres die Treppe hinauf und in das Museum hineingehen dürfte, in dem ein Aufseher beständig anwesend wäre.
Nur so kann diese kostbare Sammlung erzieherisch und geschmackbildend wirken und den Zweck erfüllen, den der Stifter im Auge hatte.