An Herrn Nikola Brandenburger, Hotelier in Wiltz.
Lieber Nikola! Sie preisen Dich als den Wirt der Wirte. Dennoch muß ich Dir einen Schmerz bereiten.
Ich bin Schuster in Luxemburg, Pfaffental. Mein Name ist Andreas Luftschnäpper. Ich bin Schuster und Angelfischer. Merkst Du, wo ich hinaus will?
Ich hörte, daß Du in Zeitungsannoncen 8 Francs für das Pfund Forellen bietest, Hast Du den roten Heintz nicht gekannt? Vielleicht suchst Du auf diesem nicht mehr ungewöhnlichen Wege auch noch alten Burgunder zu 37 Sous die Flasche?
Ich habe mich früher oft mit Herrn Peter Schiltz selig über Forellenfischerei unterhalten. Er sagte: Wenn ich jede halbe Stunde einen Anbiß habe und jede Stunde ein Forellchen fange, so bin ich gerne zufrieden.
Nehmen wir an, ein Forellchen im Sinne des Herrn Peter Schiltz selig wiegt ein Viertelpfund. Das macht auf vier Stunden ein Pfund. Und dafür bietest Du acht Franken!
Aber Herr Schiltz war trotz seiner Bescheidenheit ein großer Optimist. Wir fangen noch lange nicht eine Forelle pro Stunde. Frage einmal die Ritter von der Gerte, die Sonntags in Göbelsmühl zum letzten Zug zusammenströmen: Es gibt Tage, wo sie alle zusammen, alle dreißig, vierzig zusammen nicht ein Pfund Forellen in ihren Körben haben. Und hätten sie es: Denen allen zusammen willst Du also sage und schreibe acht Franken für ihren Fang, für ihre Arbeit und ihre Reise anbieten!
Ich spasse. Sie gäben Dir ihre Forellen nicht einmal für zwanzig, nicht für fünfzig Franken das Pfund. Sie verkaufen keine. Das weißt Du.
Es gibt aber außer den Fischern auch noch die Fischdiebe.
Diese stehlen die Fische und die Freude, die die Fischer mit ihrem, guten Geld bezahlt haben. Und zwar im voraus bezahlt. So gut, wie jemand, der sich bei unserm Sportskollegen Strock eine goldne Uhr kauft, diese Uhr mit Bargeld bezahlt. Die Uhr gehört ihm, und die Fische auf der Strecke, die jemand gepachtet hat, gehören dem Pächter, sosern er sie erangeln kann. Obendrein gehört ihm die Freude des Fischens. Genau so gut, wie dem andern die goldne Uhr gehört.
Nun kann es vorkommen, daß der neue Besitzer der goldnen Uhr in der Straße von einem Apachen angefallen und daß ihm sein kostbarer Chronometer aus der Westentasche geraubt wird.
Dem Uhrenräuber liegt nichts an der Uhr. Er hat sie nicht geraubt, um sie mit sich herumzutragen und sie nach der Stunde zu fragen, wie es ehrliche Leute mit ihrer Uhr tun. Er will sie verkaufen. Und wenn er in der Zeitung angezeigt findet, daß jemand zu vorteilhaften Preisen goldne Uhren kauft, wird er dadurch in seiner Räubertätigkeit bestärkt.
Ich weiß, lieber Nikola, daß Du den Fischdieben keine Forellen abkaufst. Aber das wissen die nicht. Sie werden durch Deine Annonce zu ihrem Diebeshandwerk aufgemuntert. Du hast einen Richtpreis für die Forellen geschaffen.
Und wem zulieb? Müßigen Stadtleuten zulieb, die zuhaus erzählen wollen, daß sie bei Brandenburgesch Nikla wieder einmal großartig gegessen haben. Eng gudd Zopp, Forellen à discrétion usw. Gib ihnen ein hors d’œuvre, damit sind sie auch zufrieden. Jedesmal, wenn mir so einer erzählt, daß er in einem öslinger Hotel Forellen gegessen hat, könnte ich ihm meinen Knieriemen um die Ohren hauen. Denn seine Forellen haben in den meisten Fällen wir ehrliche Fischer bezahlt.
Es wird nicht eher besser, als bis Ihr Herren Hoteliers von jeder Forelle, die Ihr auf den Speisezettel setzt, die Herkunft haarklein nachweisen müßt.
Mit freundlichem Gruß, im Namen aller meiner Sportskollegen
Andreas Luftschnäpper.