Der „Messaggero“ von Rom enthält in seiner Nummer vom 6. Mai einen Bericht über den Blumenkorso vom Himmelfahrtstag. In diesem Bericht las ich solgende Zeilen: „Einen Spezialpreis bestehend in einem Ehrenhalsband mit Medaille erhielt ein winziges Wägelchen, ganz mit herrlichen Rosen geschmückt und gezogen von einem reizenden kleinen Foxterrier: Eigentümer Signor Roberto Loeb aus Luxemburg.“
Mit einemmal stand ganz Rom wieder vor meinem geistigen Auge. Und mitten im Bilde stand Herr Roberto Loeb in schwarzem Gehrock und rothraunem, sorgsam gepflegtem Vollbart, umgeben von Reisenden aus aller Herren Ländern, die flehend die Hände nach ihm ausstreckten. Herr Loeb war damals die Seele des Hotel Bristol, wenn ich mich recht erinnere. Er stieg seither von Stufe zu Stufe. Er ist die Vorsehung aller Fremden in Rom und speziell aller Luxemburger. Herr Loeb ist über alles Lob erhaben.
Es war vor zehn Jahren, wo ich ihn kennen lernte. Er hatte uns in Rom ein Hotel besorgt genau, wie wir es haben wollten. Nicht zu billig, nicht zu teuer, nicht zu vornehm, nicht zu gewöhnlich, nicht zu still und nicht zu geräuschvoll.
Als wir ankamen, wurden wir empfangen, wie Hunde im Kegelspiel. Wir bekamen ein Zimmer, so groß, wie ein Schrank. Wenn eines sich anzog, mußte das andere in Pantoffeln auf dem Korridor spazieren gehen. Das Fenster ging auf den Hof, und unten im Hof lag die Küche. Es roch immer noch Knoblauch.
Beim Frühstück saßen wir neben einem Ehepaar aus der Schweiz, das des Lobes voll war über das Hotol. Sie hatten das schönste Zimmer, mit neuen Teppichen, Spiegelschränken, fließendem Wasser. Als sie kamen, standen prachtvolle Blumen auf dem Tisch, daneben lag ein Kuvert mit zwei Logenplätzen für die Vorstellung im Theatro Costanza, der Liftboy flog, sobald er ihre Schritre hörte. Flöhe! Ach wo, Verleumdung, in ganz Rom gibt es doch keine Flöhe! Knoblauch! Im Gegenteil, bei ihnen duftete es nach Flieder und Rosen. Wir waren beschämt, vor den Kopf geschlagen. Als wir uns von den zufriedenen Schweizern trennten, stellten sie sich vor, und da offenbarte es sich, daß sie denselben Namen trugen, wie wir.
Das war des Rätsels Lösung. Überall, wo Herr Loeb wie der Reisemarschall eines Fürsten für uns vorgesorgt hatte, auf der ganzen Reise durch Italien kamen uns die schweizer Namensvettern zuvor und wurden gehätschelt, als wären sie Angehörige des Fürstenhauses, die inkognito reisten.
Bis in Venedig Dort stürzte ich eines Nachts den schnöden Usurpator und seine Gattin von der Seufzerbrücke in den Canal grande. Ich sehe noch heute die Flut im grünen Mondenschein über ihnen zusammenschlagen, sehe noch heute seinen Hut aus imitiertem Panamastroh über der Stelle schwimmen, wo er verschwunden war, fühle noch heute in meiner Kehle den Schrei des Hasses, den ich den beiden nachquetschte.
Als ich schweißgebadet erwachte, stand der schweizer Namensvetter klopfend vor meiner Tür und rief mir herein, er müsse unversehens abreisen, und er und seine Frau wünschten den lieben Reisegefährten weiterbin angenehmes Flohbeißen.
Von jenem Tage an wurde unsere Italienreise zu einem Traum aus Märchenland. Tischlein deck dich und Sesam öffne dich! Ich erinnere mich noch, wie wir abends kaum in unserm Zimmer im Hotel Bristol, hoch über dem Golf von Neapel, Licht gemacht hatten, als schon draußen ein Ständchen mit Mandoline und Gesang losklimperte. Auf Capri, in Sorrent, in Pompeji, überall war es wie eine Verschwörung, uns die Welt wie einen Teppich zu Füßen zu breiten. Das verdankten wir alles der Liebenswürdigkeit des Herrn Loeb.
Es tut mir herzlich leid, daß er jetzt beim Blumenkorso in Rom auf den Hund gekommen ist.
P. S Nachträglich höre ich, daß mein Herr Loeb von dazumal nicht Roberto, sondern Arthur heißt. Ich halte trotzdem alles aufrecht.