Original

4. Juni 1921

Ich verstehe, wie gesagt, nichts von Phtlatelie, habe nie den Briefmarkenstuß gehabt, kann mit allen Lupen der Welt keine falsche von einer echten Briefmarke unterscheiden. Trotzdem glaube ich heute in der Lage zu sein, meinen Mitbürgern, die Marken sammeln und damit Handel treiben, einen wertvollen Rat zu geben. Doch davon später.

In der letzten Zeit sind, wie jeder weiß, höhere Markenwerte ausgegeben worden, die nicht mehr das Bild der Landesfürstin oder das Wappen Siggys von Luxemburg tragen, sondern auf denen verschiedene Ansichten, Städtebilder, Landschaften usw. wiedergegeben sind.

Die Post ist zu der Neuerung entschieden zu beglückwünschen.

Eine Landschaft mit einer malerischen Burgruine, wie z. B. Vianden, Burscheid, oder eine Ansicht von Luxemburg Clerf Wiltz, Remich, Grevenmacher, kurzum jeder Ausschnitt aus dem Bild unserer Heimal verkörpert den Vaterlands- oder wenn man will den Staatsgedanken in höherem Maße, als das Angesicht einer Fürstin, sei es auch noch so liebreizend, oder ein Wappentier, das mit doppelt geringelter Schwanzspitze oder herausgestreckter Zunge auf den Hinterbeinen steht. Ein Fürst hat nur ein Gesicht, unsere Heimat hat hundert, tausend Gesichter, man kann für jede Marke ein anderes und alle paar Jahre ein neues wählen. Wenn die Reihe der alten Burgen erschöpft ist, kann man zu den alten Baumriesen übergehen. Das „Runde Bäumchen“ bei Stadtbredimus wird von den Briefumschlägen herunter nicht minder interessante Geschichten aus unserer Heimat erzählen, als der Bauler Kleeschen oder der Ehlinger Taxus und viele andere Baumveteranen. Und in die Philatelle käme Schwung und Poesie hinein.

Soweit also ist die Neuerung durchaus zu billigen.

Leider haben die neuen Marken einen Schönheitsfehler, der alles verdirbt. Sie haben eine Aufschrift die unter den Zähnen knirscht, wie Silbersand «Grand-Duché Luxembourg.»

Nichts wirkt entsetzlicher, als wenn einer ein Französtsch spricht oder schreibt, das direkt übersetzt klingt. Großherzogtum Luxemburg - Grand-Duché Luxembourg! Königreich Preußen, Royaume Prussel Herr Doktor, monsieur docteur, Herr Staatsminister, monsieur ministre d’Etat, Offerten unter Postfach 3, offre sous Postfach 3, Hühnerhund im 5. Feld, Chien de poule au 5me champ usw.

Diese Sünde wider den hl. Geist der Sprache Marcols Noppeneys ist ein Schandfleck auf den ach! so schönen neuen Marken. Dieser Schandfleck muß verschwinden. Die neuen Marken müssen eingezegen werden.

Die Kosten! Lächerlich! Wenn heute die Post die Ausgabe der Marken mit dem Schandfleck siftlerl, ist jede einzelne davon morgen das Hundertsache, Tausendfache ihres Aufdrucks wert. Unsere Marken Vianden und Arbed werden eine so glänzende Zukunst haben, daß neben ihnen die Blaue Mauritius verblassen muß. Da liegt eine wahre Goldmine.

Und dies ist deshalb der Rat, den ich meinen philatelistischen Mitbürgern gebe: Sich auf die GrandDuché Luxembourg Marken zu stürzen, sich ganze Bogen davon hinzulegen. Denn sie müssen unbedingt eingezogen werden. Wir müssen uns sonst damit vor ganz Frankreich und Belgien, vor der ganzen Entente und vor der «Indépendance Luxembourgeoise» bis in den Erdboden hinein schämen. Sie tragen das Schandmal der mentalité boche auf der Stirn. Sie müssen verschwinden!

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    Katalognummer BW-AK-009-1928