Gelegentlich hört man von Luxemburgern, die an das seltsame Landschaftsbild um ihre Vaterstadt gewöhnt sind, die treuherzige Aeußerung, wie dieser Anblick wohl auf einen beim ersten Mal wirken mag.
Eben lese ich in der Jagdzeitung „Der deutsche Jäger“ einen Beitrag, der überaus anschaulich zeigt, wie unsere Heimat, nicht nur die Hauptstadt, beim ersten Anblick auf einen Fremden wirkt.
Dort schreibt ein Dr. P. unter dem Titel: „Von Deutschlands Westmark“:
„Fern an Deutschlands äußersten Westmarken liegt ein Land, das vor dem Krieg die wenigsten Deutschen kannten: Luxemburg. Wohl ist der Name berühmt: gab er doch dem Heiligen Deutschen Reich vier große Kaiser und eine Menge von Fürsten, Bischöfen und Heerführern. Doch das Land selbst - ein winzig kleiner Erdenfleck mit der Bevölkerung einer Provinzstadt war sagenhaft und vergessen. Der große Krieg erst führte Millionen deutscher Krieger über die Mosel durch seine herrlichen Täler, zu Fuß, hoch zu Roß, im schnaubenden Eisenbahnzug. Wie erstaunt waren sie alle, da sie hier, vor den Pforten der Feindländer, ein gastliches, freundliches Völkchen fanden, das in sonderbarster Mundart radebrechte, vlämische, französische und denische Brocken durcheinander haspelte, mit neugierigem Staunen, kleinen Kindern gleich, die blanken Gewehre, die protzenden Geschütze, die dampfenden Feldküchen beschaute, das mit Fragen gar nicht müde wurde und seinerseits unglaublich viel zu erzählen wußte, das sich in der Stärke des ganzen Dorfes um ausgestellte Wachen und schlasende Kompanien scharte, ihnen Zigarren, Schokolade und Milch anbot, auch wohl ein gemütliches Plätzchen am Herd, in vollkommener Untkenntnis militärischer Dinge ...
Der nördliche Zipfel dieses seltsam-schönen Landes wird von einem rauhen Gebirgszug eingenommen: den Ardennen Undurchdringliche Waldungen auf den Höhen, wilde Felsschluchten, abgrundtiefe, finstere Stromtäler, äußerst dünne Bauernbevölkerung machen diesen öden und doch so schönen Landstrich zu einem der wildreichsten Europas. Es vergeht hier kein Winter, wo nicht zahlreiche Wölfe sich einstellen; sie kommen von irgendwo her, niemand vermöchte es zu sagen, sie sind da undebegegnen den furchtsamen Wanderern, wagen sich bis in die Nähe der Dörfer und versetzen die Hunde durch ihr heiseres Geheul in wilde Raserei. Jedes Jahr setzt die Regierung hohe Prämien aus: aber nur sehr selten gelingt es einem Jäger, sie zu verdienen, obwohl das ganze Dorf, wenn es den unheimlichen Besuch einmal erhielt, zur Suche in die Wälder und Schluchten zieht. Sobald der Schnee schmilzt, verschwindet der grausige Spuk wieder, niemand weiß, wohin. Der Erzählungsschatz des Großvaters hat sich aber wieder um einige Geschichten vermehrt, die um so aufregender auf die kleinen Zuhörer wirken, da sie der jüngsten Vergangenheit angehören und wirklich geschehen, nicht bloß erdacht sind, was nicht verhindert, daß sie märchenhafter klingen als die phantastischste Erzählung aus Tausendundeiner Nacht ...
Im äußersten Westen des Landes, hart an der belgischen Grenze, wo ein wilder Bergfluß, die Sauer, sich durch eine der romantischsten Felsgegenden Europas zwängt, ist der Wälderkönig, der Edelhirsch, keine Seltenheit. Besonders jetzt, wo im benachbarten Belgien ungeheure Wäldergebiete, in denen er sich früher verlor, kriegshalber niedergelegt worden sind, wechselt er in hellen Scharen herüber. Er schöpft vom klaren Forellenwasser der Sauer, bespiegelt darin den mächtigen Wald seines Geweichs, und entflieht in gewaltigen Fluchten beim geringsten Geräusch. Ein einziges Mal kam uns ein Bock zum Schuß: sein Geweih ziert heute eine belgische Wirtsstube an der Grenze, wir konnten es nicht nach Deutschland schaffen. Natürlich wurde die Jagd auf solch edles Wild bald eine der liebsten Beschäftigungen der Offiziere, die dort in Ruhestellung oder in der Etappe lagen, bis ihnen ein Erlaß des Regimentskommandeurs den Spaß verbot. Gewildert wurde trotzdem noch - ein echtes Jägerherz konnte einfach nicht widerstehen -, doch nur mehr bei Nacht, mit allen möglichen Vorsichtsmaßregeln, und die Abenteuer, die man dabei erlebte, entschädigten vollauf für die Ängste und Gefahren der Entdeckung. Da es aber bei Nacht natürlich keine umherwechselnden Hirsche gab, verlegten wir uns auf die Wildsau. In unglaublichen Mengen haust das Schwarzwild in den wie für sie geschaffenen, verkrüppelten Niederwäldern, auf den Heiden, im Lohholz. In einer einzigen Nacht stießen wir auf mehr als zwanzig größere Notten; es versteht sich von selbst, daß wir eine beträchtliche Anzahl von Stücken zur Strecke brachten, die wir dann den biederen Dorfbewohnern, die als Führer und Treiber gedient hatten, zum Dank überließen. Unzähligemale schwebte der eine oder der andere Kamerad in größter Lebensgefahr. Längst schon hatten wir nach anfänglichem Spottgelächter einsehen gelernt, daß das Klettern auf Bäume durchaus nicht unbedingt und in allen Fällen ein Zeichen von Feigheit sein muß. Denn in blinder Wut stürzt sich das angeschossene Schwein, ob Keiler oder Bache, auf den Schützen, dem die Nacht die Gefahr ins Grausige verzerrt. Die Treffsicherheit ist so gering, daß nur das Ausweichen vor Lebensgefahr bewahrt. In diesen Gebieten kennt das Wild sozusagen die Stärke des Menschen noch nicht; es folgt nur seinen blinden Angriffs- und Racheinstinkten Richt selten kam es übrigens auch vor, daß die ganze Bande sich auf den unglückseligen Jäger stürzte; wie einem da zumute sein mag, in dunkler Nacht, in fremder Gegend, schnaubende, schwarze Ungetüme von allen Seiten herandringend, das ist leicht auszumalen. Wir hatten deshalb untereinander ausgemacht, immer nur in der Nähe eines leicht zu erkletternden Baumes zu schießen, und diese Posten nicht leichtsinnig zu verlassen.“
Wie fingt schon Putty? „Und flink wie ein Kaweichelchen - Klimm’ ich am Baum empor.“