Herr Redakieur! Bleiben Sie zuhaus, gehen Sie nicht vor die Tür, Sie müssen Sich doch bloß ärgern.
Ich hatte gestern kaum hundert Schritte auf meinem Morgenspaziergang getan, als ich mich schon wieder ärgern mußte. Am Park entlang läßt die Bauverwaltung die gußeisernen Lampenständer frisch in Öl streichen. Ich bitte Sie, ist das ein Geschäft, wo einer seine Mitbürger zu ärgern suchen sollte? Nein, nicht wahr.
Nun gut, die Bauverwaltung bringt es fertig, daß man sich über dieses Anstreichen ärgern muß.
Wissen Sie, wie sie die Ständer anstreichen läßt? Sie scheint etwas von Mimicry gehört zu haben und will davon Gebrauch machen, wie ein Kind von einem neuen Spielzeug. Und läßt die Ständer grün anstreichen, grasgrün! Dicht am Stadtpark! Als ob nicht schon mehr als genug grün da wäre. Es ist ja schon langweilig vor lauter grün. Der Herrgott hat sich wahrhaftig nicht in Kosten gestürzt, als er die Bäume geschaffen hat. Aber er hat wohl gedacht, wie der Viandener Weißtüncher, der immer sagte: Es geht nichts über üni! Das Grün läuft einem ja nach den ganzen Sommer. Und nun läßt also die Bauverwaltung mitten im Grün ihre Lampenpfosten auch noch grün anstreichen!
Herrgott Strambach, warum denn nur! Damit man sie nicht bemerken soll, damit man mit dem Schädel dawider rennen oder sich einen neuen Sommeranzug daran beklecksen soll, solange sie noch frisch gestrichen sind! Haben sie denn im Bauamt nichts Besseres zu tun, als solche Max- und Moritzstreiche gegen die Steuerzahler auszuknobeln?
Ich möchte wissen, ob diese superklugen Herren ihr Mimicry-System jetzt konsequent werden durchführen und die Lampenständer im Winter weiß streichen lassen. Da erwarte ich sie!
Grün! Ich bitte Sie schon wieder. Was hat denn eine Lampe für einen Zweck? Doch offenbar nicht, daß sie sich versteckt. Sehen soll man sie, von möglichst weit sehen, das ist ihre Daseinsberechtigung. Einen Moment lang hatte ich gedacht, die Verwaltung hätte endlich einmal einen vernünftigen Einfall gehabt. Ein Lampenständer nämlich prangte im feurigsten Rot. Es war eine Lust zu sehen. Geraniumrot. Das stand flammend vor dem grünen Hintergrund und quickte die ganze Umgegend auf. Aber ich hatte mich zu früh gefreut. Als ich wiederkam, hatten sie die rote Pracht wieder grün überstrichen. Es war einfach Minium gewesen. Anttrostfarbe.
Und da wurde mir die Bedeutung der ganzen Übung klar. Wissen Sie, was hinter dieser grünen Anstreicherei dahinter steckt? Pure Feigheit, Gesinnungslasigkeit, Heuchelei! Niemand hat heute mehr den Mut seiner Meinung. Sie denken rot und zeigen grün! Mimicry! Das ist es, das ganze Ölsarbenmanöver mit den Lampenpfosten ist ein Symbol.
Gestatten Sie, daß ich mir darüber meine Gedanken mache. Sie leben heute in einer netten Gesellschaft. Pfui! Schmach! Mathias Grimberger, Nörgler.