Aus einem möglichen Roman:
„Der alte Jenne Jang machte Wurzelstöcke aus. Die kalte Pfeife hing ihm mit dem Kopf nach unten im Mund. Jang stützte sich auf den Hackenstiel und horchte ins Tal hinunter.
„Aha!“ sagte er, „der Mittagszug. Bald gibt es was unter die Knöpfe!“
Unten glitt der Zug dröhnend aus dem Tunnel, die Bremsen sangen und die Wagenreihe stand vor dem Stationsgebäude still.
Jang konnte von oben die Aussteigenden zählen. Es waren drei Gestalten in langen schwarzen Gewändern. Sie kamen gemessenen Schritts den Bergpfad her auf den alten Tagelöhner zu, der sie in Ruhestellung erwartete und die Kappe zog.
„Kloppjeskreschtes,“ sagte er. „Ihr lebt heute mittag wieder einmal gut.“
Die Rede klang den Herren ein wenig despektierlich. Aber da sie offenbar nicht schlecht gemeint war, gaben sie sich leutselig. Sie waren auf dem Gang zum Festessen bei einem Herrn Confrater, der heute in seiner neuen Pfarrei „eingesegnet“ wurde.
„Ihr kriegt da aber einen guten Herrn,“ sagte der Jüngste von den Dreien.
„Von dem alten wußten wir es sicher,“ meinte Jang.
„Waren sie im Dors denn wirklich froh mit ihm?“
„Kein Wunder!“ sagte Jang in leise aufsteigender, gedämpfter Entrüstung. „Er war gut für alle Leute, nicht nur für die Dicken. Es war ihm nichts ans Herz gewachsen. Schaut Euch die Kirche an und den Kirchhof, was er da alles gemacht hat. Und wie er für die Armen war! Ich habe daheim noch die Hälfte von einer Flasche Wein stehen, die er mir gebracht hat, als ich es im Winter so auf der Brust hatte.“
„Und warum kommt er denn fort?“
„Ja, das müßt Ihr die „Politikerten“ im Dorf fragen. Es sind ihrer ein paar durchgefallen, die gemeint haben, der Pastor wäre schuld daran, und da haben sie beim Bischof gehoben, bis sie ihn weg hatten.“
„Ihr werdet mit dem Neuen auch schon noch froh werden. Er ist ein sehr feiner Herr.“
„Sicher ist sicher“, sagte Jang in seiner milden Hartnäckigkeit.
„Wird es denn ein schönes Fest?“
„Ihr könnt es ja sehen. Allemal nicht so schönwie bei dem Alten, als er fortmußte. Die Mannsleute haben mit den Weibern geweint, daß ihnen die Tränen die Backen herunterliesen. Es ist ja eine Schande! Es ist eine Schrift dagegen umgangen, fast das ganze Dorf hat unterschrieben. Ein so ein guter Herr! Und für die paar Triganten im Dorf! Wenn der Bischof immer die Wahrheit wüßte!“
Den drei Herren im Talar wurde das Gespräch ungemütlich und sie empfahlen sich.
„Guten Appetit,“ rief ihnen Jenne Jang nach.
Sie sprachen von der Lage, in die jeder von ihnen geraten konnte, wenn er auf Grund lokalpolitischer Intrigen versetzt wurde oder einen Confrater ersetzen mußte, den dies Los ereilt hatte.
„Wir sollten uns um Politik nicht kümmern,“ sagte der Älteste von den Dreien, ein würdiger Herr mit dem klugen Gesicht eines alten amerikanischen Generals.
„Was? Um die Politik wollen Sie Sich nicht kümmern!“ rief der Jüngste, ein feuriger Kaplan aus der Nachbarschaft. „Wie wollen Sie es denn dann zum Bischof bringen?“
„Den Witz habe ich schon einmal im „Simplizissimus“ gelesen,“ dachte der Mittlere, der ein gescheites, breites Genießergesicht hatte und um dessen Lippen es immer ein wenig spöttisch zuckte.
„Ich bete zu Gott und allen Heiligen, daß sie mich davor behüten, Bischof zu werden,“ sagte der Älteste. „Der Mann ist geplagter, als die Pfanne in der Fastnacht. Und er könnte es so gemütlich haben. Was braucht ihm an einem Bauer zu liegen, der von seinen Mitbürgern aus dem Rat hinausgewählt wird! Er sollte alle vor die Türe schmeißen, die sich bei ihm wegen der Politik über ihren Pfarrer beklagen. Wenn ich denke, ich könnte eines Tages aus blauem Himmel herunter versetzt werden, bloß weil sich der Bürgermeister einbildet, ich halte es mit der Minorität! Da wäre man doch schließlich lieber Bauer geblieben, dann könnte einen kein Papst und kein Bischof und kein Bürgermeister mit allen Schöffen und Sekretären und Quiselen und frommen Stiftungen versetzen.“
Der Mittlere zog um seinen breiten Mund ein paar lustige Falten und sagte: „Es sind vielleicht noch andere, Herr Kollega, die so denken. Sonst bräuchte sich das Bistum nicht über beängstigenden Nachlaß des Priesterberufs aufzuregen.“
„Zuviel Köche verderben den Brei, und zuviel Herren gibt unzufriedene Knechte,“ sagte der Älteste.
Der feurige Herr Kaplan schwieg mißbilligend und nahm sich vor, bei nächster Gelegenheit die Gesinnungen seiner beiden Amtsbrüder geeigneten Orts zur Kenntnis zu bringen.