Blauer Himmer grauer Himmel - welcher ist Euch lieber?
Und alle stimmen ein: Blau, blau, blau!
Ich weiß nicht. Der blaue Himmel zeigt sich seit einiger Zeit von einer weniger liebenswürdigen Seite. Man wird inne, daß sein Blau eigentlich reine Farbe ist, nichts Wesenhaftes, sondern Leere und Unendlichkeit, in der sich das Sehnen hilflos verliert.
Ein grauer Himmel ist mit seinen niedrigen Wolken uns greisbar nahe, er teilt unsere Menschlichkeit, unsere Materialität, er ist schließlich unseres Stoffes. Unsere Gedanken können sich an ihm die Stirne einrennen, können sich an seine ziehenden Wolken festhängen, können mit ihm weinen und trauern. Der graue Himmel mag bedrückend sein, er ist nie grausam, wenn er auch noch so lange dauert. Aber der blaue Himmel kann grausam werden. Von der Grausamkeit der schönen egyptischen Königin, die an ihren Sklaven Schlangengifte probierte.
In der heiteren Beharrlichkeit, mit der sich die blaue Leere über uns spannt, liegt das Unheimliche orientalischer, asiatischer Grausamkeit, das Unheimliche der Schönheit, die grausam wird. „Was liegt mir an Euch Menschlein und Eurer Rot! Was kümmert es mich, daß Eure Quellen versiegen und Eure Gaumen vertrocknen, ich bin das blaue, heitere, unbeschwerte Richts, das keinen Sinn hat für Glück und Unglück der andern, weil es selbst weder glücklich noch unglücklich ist. Ich bin die kosmische Langeweile, das ewige Einerlei, gegen das keine Berufung zulässig ist. Ich bin die Grausamkeit der Natur, die schön, aber stumpfsinnig ist!“
Der graue Himmel aber sagt: „Kinder, ich kann ja nichts dafür, daß ich ein so trüber und triefender Geselle bin, Ihr seht, ich heute mir ja selbst darüber die Fäuste voll. Tragen wir unser Mißgeschick zusammen, Ich tue mein Bestes, Euch zu unterhalten. Ich trommle lustige Weisen an Eure Scheiben, ich plätschre munter als Eure Dachtraufen in die Regenplätschre munter aus Euern Dachtraufen in die Regenihnen Beine, daß sie nicht immer faul und modrig in den Tümpeln liegen. Seid mir nicht bös, ich kann für nichts, ich bin über mein griesgrämiges Aussehen ja selbst todtraurig.“
Der graue Himmel hat recht. Er ist ein unfreundlicher und langweiliger Kerl, aber es läßt sich schließlich mit ihm reden. Mit dem blauen Himmel nicht. Der wäre imstand und quälte uns lächelnd zu Tode. Denk Dir den blauen Himmel in seinen äußersten Konsequenzen: Die Bäche trocknen aus, die Flüsse versiegen, das Meer verdunstet, wir können nicht mehr baden, uns nicht mehr waschen, haben nichts mehr zu trinken, trocknen lebendigen Leibes ein, wie Mumien - und oben lacht der blaue Himmel wie ein Blödel dazu. Es wäre ein Ende in Wahnsinn.
Umgekehrt: Der graue Himmel begießt die Welt Wochen, Monate, Jahre, Jahrzehnte lang. Die Flüsse treten aus, das Meer überschwemmt langsam alles trockne Land. Wir ließen uns Archen bauen, wie der alte Roah. Bei dem heutigen Fortschritt im Schiffbau wäre es eine Kleinigkeit. Die Wohnungsnot wäre behoben. Wir trieben vergnügt auf dem großen Pfuhl herum, bis der Pegelstand zurück ginge und wir an den einzelnen Bergesspitzen, wie Noah am Ararat, hängen blieben. Eine Taube mit einem Ölzweig im Schnabel flöge über die Welt und wir fingen wieder von vorne an. Es wäre Friede und Frohsinn über den ganzen Erdball. Das wäre die glückliche Perspektive bei der endlosen Fortdauer eines grauen Regenhimmels.
Hätten wir ihn nur. Aber solang der Wind nicht aus dem Ententewinkel weht, sagen die Wetterpropheten, ist nichts zu hoffen.