Original

18. Juni 1921

Während wir hier in der Heimat ruhig und geduldig, abwarten, wo die Leiter unserer Geschicke den Staatswagen hinsteuern und zu was schließlich die lang erwartete und immer noch nicht durchgeführte Reuorientierung unserer Wirtschaft sich auswachsen wird, nehmen unsre Landsleute im Ausland dröhnend Stellung zu dem Problem und sagen urbi et orbi, wie sie es meinen.

Das sogenannte comité franco luxembourgeois in Paris veröffentlichte kürzlich den von uns wiedergegebenen Protest gegen unsern Zollanschluß an Belgien.

Der Cercle des Luxembourgeois in Antwerpen protestiert jetzt energisch gegen diesen Pariser Protest, der eine Spitze gegen Belgien enthält, und der in zwei Aufforderungen ausklingt: Eine an die luxemburger Kammer, die den Zollvertrag mit Belgien ablehnen, und eine an die französische Regierung, die dem Recht zum Recht verhelfen, Belgien auf ein totes Geleise schieben und mit Luxemburg wieder anbändeln soll.

Die Luxemburger in Antwerpen erweisen diesem comité franco-luxembourgeois, dessen Daseinszweck lediglich in seinem Dasein besteht, zuviel Ehre, wenn sie sagen, jener Protest habe sie ebenso sehr aufgeregt, wie erstaunt.

Es regt sich niemand über die mehr oder weniger lauten Lebenszeichen jenes sogenannten französischluxemburgischen Komitees mehr auf, weder hier noch in Paris. Höchstens, daß sich die Regierungen hier wie dort über die Max- und Moritzstreiche dieser beiderseitigen Überpatrioten und die Verlegenheiten, die sie ihnen bereiten, gelegentlich im Stillen ärgern.

Wir haben hier kein Interesse daran, Öl zu dem Feuer zu tragen, das die Handvoll Stänker in Paris zwischen Frankreich und Belgien anzuzünden sich Muhe geben. Wir wissen zu gut, daß wir diesmal die ersten wären, die ans Messer kämen, wenn die Entente durch Zwist in ihrem Schoß geschwächt oder gesprengt würde. Wir halten es für einen unerhörten Frevel, daß unverantwortliche Schreier und Intriganten uns jetzt als Zankapfel zwischen Frankreich und Belgien hineinwerfen wollen.

Der wirtschaftliche Anschluß ist eine rein wirtschaftliche Sache, niemand sollte versuchen, daraus etwas anderes zu machen, sonst wachsen die Schwierigkeiten ins Unendliche. In wirtschaftlichen Dingen spielt das Gefühlsmoment für die Massen wenigstens keine Nolle. Da redet der fühle, nüchterne Verstand, es treten keine Strömungen auf, die die Dinge gewalttätig in eine falsche Richtung drängen. Und da sollten sich nur die zum Wort melden, die wirklich etwas wissen und die Zeit für gekommen halten, es zu sagen.

Unsere Antwerpener Landsleute haben recht, wenn sie gegen die naseweise u. verbrecherische Einmischung jenes Pariser Komitees protestieren, wenn sie an die hochherzige Rolle erinnern, die Belgien während des Krieges und nachher Frankreich gegenüber gespielt hat. Sie schließen ihren Protest mit folgenden Worten:

«Toujours généreuse, la France n’a pas voulu pratiquer, à l’égard de deux petits pays amis, la politique d’égoïsme basée sur la force, qui est trop souvent suivie par les grandes nations. Les Luxembourgeois de Belgique l’en remercient avec essusion et ils protestent contre l’insulte que lui fait le Comité franco-luxembourgeois de Paris en voulant représenter cet acte de générosité comme une défaillance.» gez.: Dr. Daman, Präsident, Ad. Cuvelier, Sekretär.

Uns hier wäre es nun, offen gestanden, viel lieber, wenn man draußen einmal endgültig von der Vorstellung lassen wollte, daß wir zu einem Anschluß an Belgien gezwungen werden sollen. Wir leben hier alle in der Zuversicht, daß wir völlig freie Hand haben, den Vertrag mit Belgien gutzuheißen oder nicht und uns dann zu wenden, wohin wir wollen.

Aber das Pariser Komitee hat unrecht, immer wieder auf das Ergebnis des Reserendums zu pochen. Wenn heute wieder abgestimmt werden sollte, Gott weiß, nach welcher Seite die Würfel fielen.

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KatalognummerBW-AK-009-1940