Original

22. Juni 1921

Daß Undank der Welt Lohn ist, brauche ich hier nicht zu beweisen Es ging mir nur zufällig durch den Kopf, daß zwei Geschopfe besonders auffällig unter diesem Undank zu leiden haben.

Es ist der Hund und es ist die Köchin.

Dem Hund wird die Tugend nachgerühmt, die bei den Menschen am höchsten im Kurs steht: Treue. Es gibt eine ganze Literatur über Hundetreue. In zahllosen Geschichten wird erzählt, wie ein Hund seinem Herrn, der Frau seines Herrn oder dem Kinde seines Herrn das Leben gerettet hat. In den meisten läßt der Retter das eigene Leben und die Geschichte schließt mit einem brechenden Blick aus den treuen großen braunen Augen. Hunde legen sich auf die Gräber ihrer Herren und sterben ihnen nach. Die Hunde vom St. Bernhard haben es als Menschenretter zu einer Weltberühmtheit gebracht. Man sollte also sagen, das Wort Hund sei für die Menschen der Inbegriff von Sympathie und Hochachtung.

Statt dessen ist es in ihrem Munde das böseste Schimpfwort. Sogar die Treue wird durch das Beiwort hündisch geschändet. Der Hund kann durch die Jahrhunderte hindurch noch so glänzende Proben seines Mutes und seiner Tapferkeit abgelegt haben, der Mensch weiß dem Menschen nichts Beleidigenderes anzutun, als daß er ihn einen feigen Hund schimpft. Keine größere Schande gibt es, als mit einem Hund verglichen zu werden. Der Schweinhund ist gegen den einfachen Hund eher eine Abschwächung, als eine Verschärfung.

Riemand will sich Hund schimpfen lassen. Die Menschheit ahnt nicht, daß sie damit ihre Geringschätzung für die sozialste aller Tugenden, die Treue, unbewußt verrät. Richt die Treue an sich, sondern nur die Treue, insofern man sie selbst üben soll. Man läßt sie sich vom Hund gefallen, man preist sie am Hund über die Puppen, aber man will nicht in den Verdacht kommen, daß man selbst solcher Treue fähig wäre.

Genau so behandeln wir die Köchin. Wir können, wenn wir einen leckeren Bissen auf der Zunge zergehen lassen, in den höchsten Lobesausdrücken von ihr reden, gute Köchinnen werden heute sast mit Gold aufgemogen, wir geben Leben und Gesundheit in ihre Hände, sie sind für unser Wohlergehen viel wichtiger, als die Apotheker, die doch staatlich abgestempeit sein müssen, sie sind im Besitz einer Kunst, die höher steht, als alle andern, denn weise Männer und Frauen sagen, daß die Liebe durch den Magen geht, und daß die Frau, um sich die Zuneigung ihres Mannes zu erhalten, die Bestie gut füttern soll. Es soll vorgekommen sein, daß ein junger Mann, der die Trer einer der ersten Patrizierfamilien der Stadt freite, schließlich nicht die Tochter, sondern die Kochin heiratete. Die Köchin spielt eine Zentralrolle im Leben der Menschheit.

Und doch! Gilt es heute nicht als ein Schimpf für eine sogenannnte junge Dame, kochen zu können? Lernen nicht alle lieber Klavier und Tennis, sogar Latein und Philosophie, als kochen? Und gibt es nicht Frauen, die sich aufs tiefste erniedrigt fühlen, wenn sie glauben, ihr Mann sehe in ihnen die Köchin! Koch klingt schon nicht so verächtlich. Aber Köchin! Und doch behaupten Feinschmecker, eine Köchin sei ihnen am kleinen Finger lieber als ein Koch an der ganzen Hand. Statt mit Verachtung, sollte man sie mit Ehrfurcht behandeln. Mit viel größerer Ehrfurcht, als die Römer ihre Vestalinnen behandelten, die auch das ganze Jahr beim Feuer standen, aber nicht kochen konnten.

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KatalognummerBW-AK-009-1943