Die „vier Uessems“ schicken sich an, den Kanton Esch zu begastieren.
Man sagt „die vier Uessems“ wie man sagt „die drei Musketiere“, die „vier Haimonskinder“, die „sieben Schwaben“, die „zwölf Apostel“.
Sie sind in dieser Vierzahl zusammengekittet, bilden ein Ganzes, einen Körper, an dem jedes Glied seine Bestimmung hat und für diese speziell ausgebildet ist. Aber wie bei jedem durchtrainierten Körper kann auch hier ein Glied bis zu einem gewissen Grad für ein anderes einspringen.
Bei dem Wort Menschenmaterial denkt man gewöhnlich an etwas, wie Kanonenfutter, an etwas Rohes, Unbearbeitetes, Durchschnittliches. Bei den vier Uessems hat das Wort eine ganz besondere Bedeutung. Hier ist ein Material ganz besonderer Artung, ausgezeichnet durch seine absolute Seitenheit und eine außergewöhnliche Eignung zu dem gewählten Beruf. Es bedurfte der Voraussetzungen, die in diesem Menschenmaterial gegeben sind, um in der Akrovatik die Vollkommenheit zu erreichen, bei der der Artist von dem Gesetz der Schwere völlig befreit scheint.
Dies haben die „vier Uessems“ in jahrelangem, methodischem und allseitigem Training verwirklicht. Hier sind Körper, die das Unglaublichste als durchaus selbstverständlich darbieten, in denen jeder Nerv und jeder Muskel fähig und bereit ist, in jedem Bruchteil von Sekunde das Äußerste herzugeben, das von ihm verlangt wird.
Zu dem Verblüffenden der Darbietungen kommt das Außergewöhnliche und Originelle in der Zusammenstellung der Truppe. Zwei von den Artisten sind Erscheinungen, die man als Miniaturausgaben von Menschen, als Elzevirformat sozusagen, bezeichnen könnte. Aber in den kleinen Knabenkörpern steckt die Energie und die Kraft von Fünfundzwanzigjährigen, und das Ebenmaß der Glieder erhöht den Eindruck der Kraft und Anmut.
Die „vier Uessems“ sind in gewissem Sinn Landsleute von uns, soweit man dies durch langen Aufenthalt und Anhänglichkeit sein kann.
In der schlohweißen Villa, die in Remich zur Bahnhoffeite allen andern Häusern über die Köpfe geklettert ist, um ganz von oben das herrliche Moseltal zu überblicken, bis nach Sierck hinauf, nach dem Sinzer Wald hinüber und dem spitzen Turm von Märzkirch hinunter, - in dieser Villa, die seither durch einen Flintenschuß und einen immer noch geheimnisvollen Tod landbekannt geworden ist, haben die vier Uessems Jahre lang ihre Nummern einstudiert. Eine große Turnhalle, die hinter dem Wohnhaus im Garten erbaut wurde, sah langsam die Leistungen werden, über die später das Großstadtpublikum der alten und neuen Welt staunen sollte. Die vier Akrobaten mit ihrem Impresarlo waren in dem fröhlichen Moselstädtchen bald populäre Figuren, zumal nachdem die männliche Jugend herausgesunden hatte, daß sich die seltsamen Fremdlinge nicht frozzeln ließen, und was alles sie mit ihren Gliedmaßen anfangen, daß sie bei Klopp ebenso wuchtig die Kegelkugeln schieben konnten, wie der längste Bursch aus dem Hof Remich.
Nirgends wird hierzuland Muskelkraft und körperliche Höchstleistung so gewürdigt, wie im Kanton Esch, unserm luxemburgischen Amerika.
Die „vier Uessems“ dürfen also in Rümelingen, Düdelingen, Esch, Disserdingen, wo immer sie sich zeigen, desselben Erfolges sicher sein, mit dem sie hier im Pôle Nord vor einiger Zeit austraten.