Original

30. Juni 1921

Fischer meine Brüder, die Ihr am Sonntag, dem langersehnten Tag der Eröffnung, auch keinen Hecht gefangen habt, trostet Euch.

Denn Richtsfangen ist unser Los auf Erden.

Es gibt keinen Sport, bei dem es so sprichwörtlich geworden ist, wie bei der Sportsischerei, daß der Auslobende mit leeren Händen heimkommt. Beim Boxen bringt man ein blaues Auge, eine Zahnlücke oder eine Knöchelverstauchung mit nachhaus, beim Reiten das Ergebnis, zu dessen Benennung der edelste und der unedelste Teil unseres Körpers zusammengekoppelt werden, beim Kegeln eine fette Gans oder mindestens einen Haberdatz - der Angelsischer wird von aller Welt angesehen als ein Mann, der abends mit leerem Korb oder Rucksack durch die Bahnsperre herein kommt und bei Gras noch einen Humpen trinkt. Es werden Falle erzählt, wo einer 27 Fische gefangen hatte - es ist immer eine ungerade Zahl - aber das war vor dem Krieg.

Es gilt also als ausgemacht, daß der Angler nie etwas fangt. Unzählige Belege werden dazu von der Geschichte und Literatur, Kunst usw. geliefert. Der bekannteste Ausspruch über das Fischerpech ist der von Alphonse Karr der gesagt hat: La canne à pêche est un instrument qui se termine d’un côté par une petite et de l’autre côté par une grosse bête. Oder ähnlich.

Ein Freund, der sich vor den kommenden Hundstagen nach Vichy gerettet hat, schickt mir von dort eine Nummer des «Pélican», in der der Angler folgendermaßen definiert wird: Un pêcheur à la ligne se compose de divers necessoires, dont le plus rare est un poisson.»

Ein Beweis, den die Kunst beisteuert: In einer kühlen Gasthausstube meiner Moselheimat hangt ein Bild, auf dem ein Fischersmann zu sehen ist, wie er einer hübschen Fischerin die Beute abkauft, die er abends seiner Frau oder seinen Freunden vorspiegeln will.

Und dann die heilige Schrift, mit der Stelle, wo es heißt: Wir haben den ganzen Tag gefischt und nichts gefangen! Es war also schon in Galiläa und zu des heiligen Fischerpatrons Petri Zeiten grade wie heute, daß „sie nicht gingen“. Wahrscheinlich war an jenem Tage auch Nordostwind.

Nicht immer finden wir Sukkurs, wie die biblischen Fischer am See Genesareth, aber die Folmer Willmes, Hoffmann usw. an Mosel und Sauer sind immer da, wenn einer Abends als gewiegter Fischer am Stammtisch glänzen will.

Aber sowas, Fischer, meine Brüder, tun wir nicht.

Wir sind gegen den Mißerfolg von vornherein gewappnet. Die Natur bietet uns Ersatz für die Fische, die wir nicht fangen. Das ist der Standpunkt des Sportfischers. Er ist Ästhet, nicht Utilitarist. Wieviele Forellensischer z. B. gibt es, die keine Fische essen! Ein Virtuose der Fliegengerte versicherte mir kürzlich, er habe nie eine Forelle angerührt außer beim Loshaken.

Die Lust, die Lockung liegt in der seltsamen Aufregung des Fanges. Aus dem grünen, blauen, braunen Geheimnis der Tiefe, der blinkenden, hastenden Verworrenheit der Bachschnelle, der kristallklaren Leere einer Wasserbreite taucht plötzlich, wie eine kleine Explosion unter Wasser, das lebendige Geheimnis und wird zur zappelnden Wirklichkeit am Ende der dünnen Schnur. Aus dem verborgenen Leben, das nur hie und da mit einer aufblinkenden Breitseite, dem sähen Schimmer eines gelben Forellenbauchs sein Dasein verrät, dieser scheuen Welt, die alles von draußen als Feind oder verdächtig betrachtet und es flitzend flieht, liegt plötzlich ein Stück herausgelöst zu Deinen Füßen, völlig verwandelt, Deiner Hand und Deinen Blicken preisgegeben. Um solchen Augenblick geht ein Sportfischer stundenweit. Und der Augenblick ist entwertet, wenn er sich jede Minute wiederholt. Es fehlt ihm das Kostbare, das allen Dingen ihren Wert gibt: die Seltenheit.

Also Fischer, meine Brüder, tröstet Euch. Träumet weiter den Traum vom Hecht, bis er sich eines schönen Sonntags erfüllt, bis Euch der Hecht von den bekannten achtzehn Pfund an die Angel geht und Ihr dadurch berühmt werdet.

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KatalognummerBW-AK-009-1948