Original

1. Juli 1921

Die Übernahme des Grand Café durch „Beessels Jängy“ vom nächsten Samstag, 2. Juli ab, weckt allerhand Erinnerungen.

Am 22. Dezember 1894, vor nahezu 27 Jahren, ebenfalls an einem Samstag Abend, fand die Eröffnung des damals ganz neu eingerichteten Lokals statt. Die Zeitungen hatten begeisterte Zerichte über die Innenausstattung gebracht, bei der hier zum ersten Mal eine künstlerische Majolika-Wandverkleidung mit echtem Eichengetäfel und geschickter Verwendung von Spiegeln zur Anwendung gekommen war.

Ich erinnere mich des Anblicks, den der bis auf den letzten Platz gefüllte Saal bei der Eröffnung bot. Vielleicht zum ersten Mal war da ein Zug ins Großstädtische in unser öffentliches Leben gekommen. Zum ersten Mal saß man in einem Caféhaus, das zwei Stockwerke hoch war, beim Licht von Bogenlampen, die eine fast zu grelle Lichtflut über die Tische gossen, bei den Klängen einer Musik. die von der Galerie an einer der Längswände heruntertönten. An meinem Tisch saß der junge Architekt Karl Müllendorff, der den Entwurf zu der Innendekoration geliefert hatte und jetzt mit Komplimenten überschüttet wurde. Es zuckte geschmeichelt in seinen Mundwinkeln. Man hatte ihn lieb, denn er war ein tüchtiger Mensch und ein Künstler, und dazu spielte er Cello, wie ein Meister. Er ist jung gestorben, aber er hat in der kurzen Zeit seiner Tätigkeit seine Furche gezogen. Einige der schönsten Privatbauten unserer Stadt sind sein Werk, darunter die heutige Villa d’Hannoncelles in ihrer ursprünglichen Form.

Am Tage nach der Eröffnung stand an dieser Stelle folgender suggestive Bericht:

„Luxemburg, 24. Dez. Die Eröffnung des Grand Café, die wir am Samstag an dieser Stelle angeründigt hatten, fand unter großem Zudrang von Gästen statt, von denen viele bis zum Morgengrauen aushielten. Über die Schönheit des Lokals herrschte nur eine Stimme, nicht allein bei den Gästen inwendig, sondern auch bei der Schar der Neugierigen, die vom Lichtglantze angelockt auf dem Paradeplatz sich drängten und beim jedesmaligen Öffnen der Türe neugierige Blicke ins Innere warfen. Stammgäste einzelner Ecken hatten in dem neuen Heim schon gleich Wurzel geschlagen und machten ihr Spielchen, unbeirrt durch die Eröffnungsmusik und das Drängen der ebenso neugierigen wie durstigen Gäste. Draußen aber mochte unter den Schönen, die ihr Weg an den erleuchteten Riesenscheiben vorbeiführte, manche, sein, die beim Klang der Geigen von einer Ahnung der kommenden Fastnachtsfreuden erfaßt wurde.“

Das mit den Fastnachtsfreuden hat sich später in vollem Umfang bestätigt. Auch die Stammgäste, die unbeirrt ihr Spielchen machten, blieben in der Folge charakteristisch für das Bild. Die meisten hatten beim Skat einen Bleistift hinterm Ohr.

Der Wirt war Leon Schmit, der bekannte Sohn des bekannten alten Polizeikommissars aus Diekirch. Er hatte das Café nach einem jahrelungen Aufenthalt in Paris übernommen und setzte seine Ehre und seinen Stolz darein, es tadellos im besten Pariser Stil, als „zergutzterechten Zaapert“, wie er sagte, zu führen. Wenn Not an Mann ging, legte er selbst mit Hand an, und dann sah man ihn geschäftig von Tisch zu Tisch die Gläser reichen, Gummibänder um die Hemdärmel, um die schlohweißen Manschetten am Herunterrutschen zu hindern. Sauber, pickfein, erstklassig mußte alles sein. Auch er starb jung.

Jetzt wechselt, zum dritten oder vierten Male seither, das Lokal seinen Inhaber. Eine andere freundliche, hübsche, junge Dame wird vom Samstag ab hinter den blitzblanken Flaschen und Silbersachen und der Blumenvase und den Zigarrenkisten des Büffets thronen und die Gäste begrüßen und der Jängy, den alle Welt kennt, wird sie manchmal ablösen, oder er wird im Saal herumgehen und mit Peter und Paul ein Schwätzchen halten, und er wird bald zum Inventar des Paradeplatzes gehören.

Wir wünschen ihm und seinen Gästen, daß sie so vergnügt und miteinander so zufrieden werden, wie es Wirt und Gäste lange Jahre nach jener Eröffnung am 22. Dezember 1894 waren und daß über ein Vierteljahrhundert, wenn jemand an die Eröffnung vom nächsten Samstag erinnert, alle Teilnehmer das noch bei vorzüglicher Gesundheit in der Zeitung lesen können.

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KatalognummerBW-AK-009-1951