„Wormeldingen, den 28. Juni 1921. - Sehr geehrter Herr! - Wir gestatten uns Sie ergebenst zu bitten, die von dem Winzerverein von Wormeldingen am 6. Juli organisierte Versteigerung naturreiner Weine aus den besten Lagen Wormeldingens mit Ihrer Gegenwart beehren zu wollen. Die Vorprobe wird abgehalten von 9 bis 12 Uhr vormittags; die Versteigerung beginnt um 1½ Uhr nachmittags. In vorzüglicher Hochachtung - Der Vorstand.“
Vorstehende freundliche Einladung des Wormeldinger Winzervereins fand ich gestern morgen in meinem Briefkasten.
Man wird sich erinnern, daß Herr Abgeordneter Duhr kürzlich dieselbe Einladung in einer Rede an die Kammer richtete. Ich weiß nicht, ob die Kammer der Einladung folgen wird. Es wäre das Vernünftigste, was sie tun könnte. Aber ich bezweifle stark, ob sie es tut. Sie wird am Mittwoch Beredsamkeit verzapfen, statt naturreine Weine, und ich werde in der Kammer sitzen müssen, statt am Moselstrand.
Nichtsdestoweniger bin ich dem Wormeldinger Winzerverein für seine Einladung sehr dankbar und wünsche seiner Veranstaltung den schönsten Erfolg. Man darf darin das erste Ausholen zu einer wirksamen Propaganda in die Weite erblicken. Der Verkauf unserer Weine war bisher eine Angelegenhelt, die sich mit Ausschluß der Öffentlichkeit in einem einfachen, kurzen Tempo, zwischen Käufer und Vartäufer abspielte. Jetzt wird daraus eine mehr oder weniger öffentliche Angelegenheit. Die Sache unserer Winzerschaft wird sozusagen auf den Lichtschirm der Öffentlichkeit projiziert. Liebhaber werden sich um das beste Fuder streiten, erstens um das beste Fuder zu haben, und zweitens, um dafür in die Zeitung zu kommen. Es werden über die Weinversteigerungen Feuilletons geschrieben werden, wie über einen Boxermatch oder über eine Fliegerwoche. Wormeldingen wird das Epsom, das Longchamps, das Hoppegarten des Grand Prix der Luxemburger Moselweine werden. Seine Weinversteigerungen werden ihm dasselbe bedeuten, wie Oberammergau seine Passionsspiele. Und es wird ein mehr oder weniger offizieller Pegel für die Preise unserer Weine geschaffen. Für die jedenfalls, die wert sind, im Lande getrunken zu werden. Denn bei den Wormeldinger Weinen wird es auf die Dauer nicht bleiben, es werden Kreszenzen von der ganzen Mosel in diese Versteigerungen einbezogen werden. Und man wird von einzelnen Fudern reden, wie von Carpentier und Dempsey, das Land wird sich für seine Weine interessieren und auf die Dauer überall lernen, sie zu trinken und gerne zu trinken.
Hier in Luxemburg kann man an einzelnen Häusern in der Frontmauer, nicht ganz in der Höhe des ersten Stocks, Vertiefungen sehen, die umgekehrten, ko@f- großen Rischen gleichen. Bei näherem Zusehen merkt man, daß sie sich immer über der Falltüre befinden, die vom Trottoir in den Keller führt. In diese Öffnung wurde früher der Baum gelehnt, an dem die Fässer in den Keller geschrotet wurden. Ich nehme an, die alten Luxemburger legten sich keine Petroleumfässer in den Keller. Es müssen also Weinfässer gewesen sein. Alte Leute erzählen, daß in ihrer Familie immer ein Faß Mosel im Keller lag. Mit der Ausbreitung des Weinbaus einer- und des Wohlstandes andererseits hat diese schöne alte Sitte leider nicht Schritt gehalten, und niemand läßt mehr ein Schrotloch über seiner Kellertür anbringen, weil er beim nächsten Wirt seinen Mosel schoppenweise holen kann.
Das ist vom Übel. Denn dadurch sind viele dem Landwein untreu geworden. Es ist zu hoffen, daß die Wormeldinger Versteigerungen unsere Moselweine wieder näher an die Privatkundschaft heranbringen. Auf den Trierer Versteigerungen wurden von unsern Landsleuten ja auch viele Fuder auf Teilung erworben, unter Umgehung des Handels. Und andererseits wird der Handel durch nichts so stark belebt, wie dadurch, daß Privatleute sich daran gewöhnen, sich einen anständigen Keller anzulegen.
In dieser Richtung also: Wiedereroberung der guten Privatkundschaft, ist dem Wormeldinger Versuch ein voller Erfolg zu wünschen.
Und wenn das sonnige Wetter bis morgen anhält, wird der Tag auch äußerlich zu einem Festtag für die Teilnehmer. Denn Wormeldingen mit dem geweiteten Tal und den blauen Fernen und dem grün gleitenden Strom ist es wert, daß man ein paar Stunden sich all der schönen Dinge freut, die der Himmel in Geberlaune dort ausgestreut hat.