Halben Sie es mir zugut, wenn ich hier nochmals auf die Wormeldinger Weinversteigerung zurückkomme.
Es ist nämlich wegen der Kreszenz.
Zu den Trierer Versteigerungen ging man, um Kreszenzen zu kaufen. Der eine wollte nicht heimkommen ohne ein Fuder Le Gallais Wiltinger Kupp oder Canzemer, der andere schwärmte nun einmal für einen Kesselstadt’schen Josephshöfer, dieser legte besondern Wert auf ein Wachstum des Priesterseminars, jener war weltlicher auf das Königliche Gymnastum erpicht, einer pries sich glücklich, wenn er etwas von Frau Dr. Thanisch im Keller hatte, ein anderer schnalzte mit der Zunge beim Namen Schorlemer Lieserer und noch ein anderer brauchte nur Linz, Wawerner Herrenberg zu sagen, so lief ihm das Wasser im Munde zusammen.
In Wormeldingen war es am Mittwoch ganz anders. Die Besitzer durften vor dem Ausbieten nicht genannt werden. Man hatte bei den Proben nur mit Nummern zu tun. Es war wie bei einem Preisbewerb, wo die Konkurrenzarbeiten nur mit einem Motto bezeichnet werden dürfen. Nur die Güte einer Arbeit soll für sie sprechen. So bei der Wormeldinger Weinprobe. Die Tugend mußte siegen. Und sie siegte. Die Einstimmigkeit, mit der Nr. 46 trotz seiner Anonymität zum König gekrönt wurde, machte ihm und den Weinskichern, die ihn krönten, alle Ehre. Und wer ihn auf seinen intrinsischen Wert hin für 5200 Fr. ansteigerte, war sicher, daß er einen guten Wein hatte, ob er nun im Weinberg von Peter oder im Weinberg von Paul, oben oder unten, rechts oder links gewachsen war.
Natürlich wurde nachher gesagt, wer der glückliche Besitzer des Weinbergs ist, in dem Nr. 46 gewachsen war. Aber es war sehr klug von den Veranstaltern der Wormeldinger Versteigerung, daß sie nicht im vorhinein die Besitzer nannten. An unserer Mosel sind zwei oder drei Kreszenzen, die von Alters her berühmt sind. Träten sie offen hervor, so würde sich ein jeder darauf stürzen. Nicht jeder vermag einen besseren Wein von einem guten zu unterscheiden, aber wenn er liest, daß Nummer soundso aus dem und dem berühmten Keller stammt, greift er zu, ob es sich um eine gute oder minder gute Probe handelt.
Wir waren ja immer gewöhnt, unsere Weine anonym über die Mosel zu verkaufen, die Kreszeng hatte hierzuland nur für einige wenige Bedeutung. Wollen wir aber in weiterem Umfang auf die Privatkundschaft spekulieren, so muß den einzelnen Kreszenzen ermöglicht werden, sich in weiteren Kreisen bekannt zu machen. Ein Wirt, der eine gute und billige Quelle hat, wird sie der Kundschaft nicht verraten. Er wird natürlich sagen, es ist Wormeldinger, auch wenn er den Wein im Hof Remich gekauft hat. Eines der Ergebnisse der Versteigerungen soll aber sein, daß die Privatkundschaft wieder mehr für unsere Moselweine interessiert wird. Sie muß also allmählich mit den guten Kellern bekannt werden. Gute Keller im absoluten Sinn gibt es aber bei uns kaum, jeder hat mal ein besseres Fuder oder mehrere, und der Rest ist Mittelware. Der Name des Besitzers sagt also auch nichts, es kommt auf die Lage und den Jahrgang an. Wer noch weiter gehen will, fragt auch nach dem Datum, an welchem der Wein gelesen wurde. Und wenn ihm die Zunge alles übrige bestätigt, weiß er Bescheid.
Man sieht, die Kreszenzfrage ist nicht so einfach. Aber auf die Dauer werden durch die Versteigerungen doch außer den altbewährten Kreszenzen viele neue sich Anerkennung verschaffen, wenn einmal die Versteigerungen ganze Wochen dauern und die ganze Mosel einbegreifen werden. Dann wird auch auf allen Flaschenetiketts der Name des Weinbergbesitzers stehen, und wir werden von selbst von der Quantität zur Qualität zurückgeführt.