Sehr geehrte Korrespondentin! Haben Sie zunächst keine Angst, daß ich Ihren Namen verraten werde, denn Sie werden Sich wohl gehütet haben. Ihren Brief mit Ihrem richtigen Namen zu unterschreiben.
Ich will trotzdem Ihren Wunsch erfüllen. Sie möchten im Auftrag einer Freundin, „einer sehr anziehenden Erscheinung aus besserer Familie, sehr begabt und von angenehmem Charakter, dazu jung“ - im Auftrage dieser Freundin also möchten Sie erfahren, „wie man, abgesehen vom oft mißbrauchten Wege der Annonce und von der „Jagd nach dem Mann“ in Bekanntschaft mit besseren Herren treten kann“.
Wenn Sie - pardon, Ihre Freundin, eine so sehr anziehende Erscheinung ist, so hat sie ganz sicher schon mit besseren Herren Bekanntschaft gemacht. Dann werden Sie wahrscheinlich bald eingesehen haben, daß besser in diesem Fall viel weniger bedeutet, als gut, grade wie ein älterer Herr z. B. lange nicht so alt ist, wie ein alter Herr.
Bessere Herren, mein sehr geehrtes Fräulein, wirklich bessere Herren sind heutzutage ein sehr gesuchter Artikel, und da das Heiraten in die Ferne immer mehr aufkommt und auf die Auskunfteien nicht immer Verlaß ist, so wird die Heirat immer mehr zur Lotterie.
Um Ihnen zu raten, müßte man also zuerst wissen, wo sich die besseren Herren, wie Sie sie meinen, entweder rudelweise oder vereinzelt als Standwild aufhalten.
Die Frauenmode von heute hat Ihresgleichen um ein zugkräftiges Lockmittel gebracht. Früher wirkte es Wunder, wenn man mit anmutigem Griff den Rocksaum ein klein wenig raffte und von dem einen Seidenstrumpf über dem Schuhrand eine Handbreit entschleierte. Jetzt, bei den kurzen Röcken, ist dieser Anblick Gemeingut und der ganze Reiz des gelegentlichen, vielleicht unbewußten Gewährens ist daraus verschwunden. Das Stückchen Zucker, das man sonst dem Gaul zur Belohnung und Aufmunterung aus der Hand reichte, kann er jetzt in Hülle und Fülle aus der Krippe fressen.
Wo halten sich die besseren Herren gewöhnlich auf? Es ist, wie beim Schnepfenstrich. Daß man gelegentlich eine Lagerschnepfe hochmacht, ist eine seltene Ausnahme. Aber wenn die Schnepfen streichen, kann der Jäger sich auf den Strich stellen und warten, bis ihm eine vor die Flinte kommt.
Bei den besseren Herren heißt das Streichen im gewöhnlichen Sprachgebrauch Reisen. Sie müßten also Ihre Tätigkeit auf die Eisenbahn verlegen, wenn Sie nicht etwa ein Automobil besitzen und sich in die Jagd der Obern paar Hundert und der Zehntausend Schieber einschalten können.
Auf der Eisenbahn setzen Sie Sich nur in Rauchercoupés. Wo man raucht, da darfst Du ruhig sitzen, Raucher pflegen selten Gift zu spritzen. Sie können Ihm ja später das Rauchen abgewöhnen, wenn es Ihre Tüllvorhänge ruiniert.
Auch im Theater bestehen Chancen dafür, daß Sie den Weg eines besseren Herrn kreuzen. An traurigen Stellen drücken Sie das Taschentuch an die Augen, das deutet auf Gemüt, bei lustigen Stellen lachen Sie laut und ungeniert, das verrät ein gesundes, heiteres Temperament und bringt die schönen Zähne zur Geltung, die Sie ganz gewiß - pardon, die Ihre Freundin ganz gewiß hat. Fühlen Sie Sich im Restaurant von einem besseren Herrn beobachtet, so tun Sie Ihrem Appetit keinen Zwang an. Bessere Herren lieben an der Frau die Gesundheit. Piepsige Wesen, die bei Tisch das Vögelchen markieren, sind ihnen zuwider.
Spüren Sie einen Anbiß, so beginnt das Drillen, das eine Kunst für sich ist. Hier muß ich mir als Mann Stillschweigen auferlegen, um nicht zum Verräter an meinem Geschlecht zu werden. Ich überlasse Sie Ihrem Instinkt, Ihre Freundin wird schon wissen, wie sie sich weiterhelfen soll.