Das Unerhörte geschah gestern nachmittag, nach meiner Uhr ganz genau 3 Uhr 27 Minuten 34⅗ Sekunden.
Da fiel mir auf die heiße rechte Hand, ungefähr einen Zoll südöstlich der Daumenwurzel, ein Regentropfen. Es war wie ein leiser, kühler Stich. Und über die Straße kam quer ein Freund auf mich zu und hielt beide Hände mit den Innenflächen gen Himmel, wie um einen Segen von oben zu empfangen, und rief: Regen! Er war im Zweifel, ab er drei oder vier Tropsen gespürt hatte.
Und das Pflaster bestirnte sich heimlich mit dünnen, braunen Fleckchen. Sie waren leicht zu zählen und nach zehn Sekunden wieder aufgetrocknet.
Ein Bauersmann aus Steinsel kam grade aus dem „Verband“. Er sah mein Staunen, blieb stehen, blickte gen Himmel. Die gemeinsame Not der Dürre führte unsere Gedanken und Rede denselben Weg. „Wat geht dat gin!“ sagte er besorgt. Und seine nächsten Worte waren, was aus den fetten Schweinen würde. Und wo die Konsumenten in nächster Zeit die Milch herholen sollten. Denn die besten Milchkühe verschwinden. Die Regierung habe eine Dummheit gemacht. Ich fragte nicht weiter nach. Und der Mann sprach von 1893, wo noch weniger Heu gewachsen, aber nach Johanni sei der Regen eingefallen und habe die Kartoffelernte gerettet. Jetzt noch acht Tage Trockenheit, und es wachsen nicht genug Saatkartoffeln für nächstes Jahr. Und das Ösling und seine Wassernot! Wo man hinblickt, dürres Elend. Das Vieh müsse aus den Pferchen, die Wiesen seien so glatt abgeleckt, daß in zwei Jahren nichts mehr darin wachsen werde. Und es tat ihm immer nur leid um die armen Konsumenten. Wir schieden als gute Freunde, zusammengedrängt durch den gemeinsamen drohenden Feind Hungersnot.
Eine Dame frug mich, von wo der Wind komme. Sie wußte, daß an allem der Sirius schuld war. Eine andere klagte mir, daß sie sich vertrocknen fühle, ihr Haar sei schon so trocken wie Stroh und breche wie Glas.
Die Kinder aber sprangen nacktwadig herum und machten sich wegen der Trockenheit gar keine Gedanken. Sie haben ja noch soviele Jahre vor sich, daß sie sich um dies eine nicht zu grämen brauchen. Sie finden es ganz natürlich, daß es im Sommer warm ist.
Und nun richte ich an die zuständige Stelle die eindringliche Bitte, endlich die Heizung abzustellen. „Wir fordern unbedingt,“ pflegt Herr Krier zu sagen. Und „wir lassen uns das nicht länger gefallen“. Wir verlangen den Regen, auf den wir in Hinsicht auf unsere zentrale Lage und unser gemäßigtes Klima ein gewissermaßen wissenschaftliches Recht haben. Es genügt nicht, daß es heute in Wasserbillig, morgen in Bad Mondorf eine Stunde gießt, wir verlangen einen unparteiischen, ausgiebigen Landregen, der bis an die Kartoffeln geht und die Bäche und Flüsse wieder auf einen einigermaßen normalen Wasserstand bringt. Es ist ja ein Skandal, wie z. B. das Moselwasser sumpfgrün aussieht, wie eingekocht, und wie die ekelhaften Fetzen von „Unkenfett“ darauf schwimmen, wie auf einem Mistpfuhl. Wenn wir ein solches Wetter wollten, gingen wir in die Sahara. Wir haben uns in Mitteleuropa angesiedelt, weil man uns versprochen hat, daß hier Regen und Sonnenschein in gedeihlicher Folge abwechseln, und dies Versprechen wird nicht gehalten. Es ist unerhört, und wir sind in unserm schönsten Recht, wenn wir energisch reklamieren.
Wenn wir nur wüßten, wo?