Zu den geselligsten Tieren der europäischen Fauna gehört der Krebs. Er sucht nicht nur die Gesellschaft von Seinesgleichen - man sieht ihn selten in Rudeln von weniger als einem Dutzend, vor dem Krieg kam er nicht selten in Gruppen bis zu hundert Stück vor - auch wo Menschen in größerer Anzahl versammelt sind, findet er sich gerne ein und trägt zu Frohsinn und Heiterkeit bei. So kann man in diesen Tagen an den Ufern der Alzette bei Steinsel tagtäglich größere Ansammlungen von Menschen beobachten, zu denen sich dann allmählich auch Krebse in ziemlicher Menge gefallen. Bald zählt man sie nach Hunderten, bald nur nach Zehnern. Es hängt vom Wetter ab, und wie sie jeweilig „gehen“. (Sowie die Wassertiere in Beziehung zum Menschen gebracht werden, schwimmen sie nicht mehr, sondern sie gehen. So der Krebs, die Forelle, der Hecht, der Aal, die Barbe, um nur die edleren zu nennen.) In den Steinseler Wiesen beteiligen sich an diesen Zusammenkünften zwischen Menschen und Krebsen alle Schichten der Bevölkerung, groß und klein, arm und reich, alt und jung, Männlein und Weiblein, Städter und Bauern. Es soll vorgekommen sein, daß Leute den Umgang mit Krebsen so stark und anhaltend pflegten, daß sie schließlich selbst den Krebsgang gingen.
Der Krebs gehört mit den Schnecken, Muscheln und Austern zu den seltenen Genüssen, die auf den Speisekarten nicht nach Portion oder Gewicht, sondern nach Einheiten vorkommen. Dabei hat indes der Krebs vor den andern obgenannten Schaltieren das voraus, daß er nicht in einförmiger Gleichheit der Exemplare auftritt, sondern daß er imstande ist, sich indivduell stark zu differenzieren. Krebse, denen man zutrauen kann, daß sie auch einzeln schon sich Beachtung verschaffen, heißen Solokrebse.
Der Krebs ist im Naturzustand dunkel olivebraun, mit einer Nüance ins Bläuliche. Wird es ihm zu heiß, so wird er rot, ohne damit einen politischen Nebengedanken zu verbinden. Er duftet dann nach Weißwein und bestimmten würzigen Kräutern, selten nach Vanille.
Unter den vielen Unterschieden, die zwischen einem Krebs und einem Schwein bestehen, ist in erster Linie der zu beachten, daß umgekehrt wie beim Schwein, wo besonders der Hinterschinken geschätzt wird, beim Krebs mit der größte Wert auf die Vorderpfote gelegt wird. Sie heißt auch Schere, weshalb früher der Krebs als Wappentier gewisser Zeitungsredaktionen galt.
Viele Krebse besitzen nur eine Schere, die andere kann ihnen aber wieder nachwachsen. Das Schwein dagegen hat immer zwei Hinterschinken und wenn ihm einer fehlt, so wächst leider kein anderer nach.
Luxemburg ist das klassische Land der Krebsesser, und wenn ein Luxemburger vor die Wahl gestellt wird, entweder oder, so ißt er immer noch lieber Oderkrebse, als gar keine.
Anderswo stehen die Krebse als Outsider auf dem Speisezettel. Hier kommt es nicht selten vor, daß ausgewachsene Männer ihren Hunger ausschließlich mit Krebsen stillen. Dazu trinken sie den herben Landwein, besser noch alten Burgunder. Es gibt nicht für vornehm, dazu nachher auch das lauwarme Wasser aus den Fingerbowls zu trinken.
Häufiger Umgang mit Krebsen wirkt abträglich auf den Sinn für Arithmetik. Werden zum Beispiel in einem Bach, wo meinetwegen 5000 Krebse sich aufhalten, 5000 herausgefangen, so wundert sich alle Welt, daß nachher nicht noch 6000 darin sind.
Orte im Luxemburgischen, die von Krebses wegen immer berühmt waren, sind die Schobermeß und die Geichel bei Arlon. Letzterer Umstand trägt viel dazu bei, daß die Belgier einen wirtschaftlichen Anschluß nach Luxemburg anstreben.
Setzt man dem Krebs irgendwo zu stark zu, so bekommt er die Pest und stirbt aus. Ich warne daher meine Landsleute vor einer Übertreibung ihrer Vorliebe für Krebse.