Die „Passanten“, die sich in Eich so arg über die Wiesenspiele der badenden Jugend entrüstet haben, hätten heute nachmittag auf dem Spielfeld des Racing Gelegenheit, sich zu entsetzen, bis sie blau würden.
Da werden nämlich gut gewachsene junge Männer in Anzügen, die nach oben und unten kaum länger sind, als Badehosen, auf einem erhöhten Podium, das den Namen Ring führt, obgleich es viereckig ist, unter freiem Himmel richtige Vorerkämpfe aufführen. Und Tausende von Zuschauern und Zuschauerinnen werden es sich nicht verdrießen lassen, ihnen zuzusehen, sie werden das Recht, sich an diesem Anblick zu erfreuen, sogar mit mehr oder weniger hohem Eintrittsgeld erkaufen.
Die „Passanten“ aus Eich werden darauf glauben, der Weltuntergang sei in nächste Nähe gerückt.
Es handelt sich aber um den Match Welter Ray Dupé. Heute nachmittag heißt der Racing-Platz für uns New-Jersey. Weiter heißt Dempsey und Ray Dupé Carpentier.
Vor Monaten hatten sich die beiden Kämpen schon einmal in einem Match getroffen, und es war ihnen ergangen, wie den Gegnern im Weltkrieg. Es war ihnen nicht gegönnt, ihren Kampf durchzukämpfen, bis einer erledigt am Boden lag, Ray Dupé rannte mit der Hand an die Mauer und verstauchte sich das Gelenk. Die Mauer hatte gesiegt. Ray Dupé gab auf und Welter hatte offiziell den Match gewonnen. Nach dem Weltkrieg ist es so, daß die Deutschen behaupten, sie haben sich die Hand an der Mauer der Heimatfront verstaucht und seien besiegt, aber nicht geschlagen, während die andern eingestandenermaßen sich in ihrer Rolle als Sieger auch nicht ganz sattelfest vorkommen.
Bei dem Match von heute nachmittag ist die nächste Mauer so weit entfernt, daß keiner der beiden Champions sie mit der Faust erreichen kann. Sie sind also unter sich, und der Kampf wird seinen normalen Verlauf nehmen, bis einer von beiden ins Land der Träume sinkt, wie der technische Ausdruck lautet.
Von den Unzähligen, die heute nachmittag auf dem Sparringfeld den Ring umstehen und umsitzen werden, kommt es den meisten darauf an, wer von den beiden Vorkämpfern Sieger wird. Ich muß sagen, das ist vorkehrt. Der Ausgang des Kampfes ist Nebensache, ist gewissermaßen ein notwendiges Nebenprodukt, wie die Thomasschlacken bei der Stahlerzeugung. Die Hauptsache ist der Kampf, das freie, gelekige, starke Spiel der Glieder, bei dem das Zweckmäßige, also Asthetische im Bau des Männerkörpers jede Sekunde, die zum Maximum gesteigert, in die Erscheinung tritt. Den Massen unbewußt feiert in ihrem Empfinden das Gesetz vom mindesten Kräfteaufwand Triumphe. Nicht im Zuhauen und Zustoßen, sondern in dem unaufhaltsamen Sichtbarwerden des Verhältnisses von Kraft und Wirkung. Darum ist ein Boxerkampf wert, daß man ihm zusieht. Nicht weil er sein notwendiges Ende darin findet, daß einer der Kämpfer mit seinem Unterhiefer der Faust des Gegners in den Weg kommt und durch die Erschütterung wenigstens 10 Sekunden lang betäubt wird. Daß einer stärker, gewandter, desser trainiert und im Moment besser aufgelegt ist, als der andere, weiß man im voraus. Wer von beiden es ist, mag von allerhand Nebengesichtspunkten interessant sein und wert, daß sich die Menge dafür begeistert, zumal wenn sie auf einen gewettet hat. Aber dann ist wiederum das Wetten wichtiger, als das Gewinnen, weil man wettet, indem man die Vorzüge des einen gegen die des andern abwägt, also ein Positives gegen ein anderes Positive, nicht Zufall gegen Zufall.