Original

13. Oktober 1921

Ich sehe mich wider Willen in eine halb gelehrte, halb dilettantische Polemik hineingezogen.

Die Polemik besteht zwischen Herrn Archivdirektor Jules Vannerus aus Brüssel und dem Direktor der «Indópendanco Luxembourgeoise».

Herr Vannerus vertritt die gelehrte Hälfte.

Es handelt sich um die luxemburgischen Ortsnamen, für die die «Indépendance Luxembourgeoise» bekanntlich französische Übertragungen eingeführt hat, speziell um den Namen Brêmo au Guó für Stadtbredimus.

Ich möchte um Gottes Willen nicht in den Verdacht kommen, den Wissenschaftlern auf diesem Gebiet ins Handwerk zu pfuschen. Soviel ich von Herrn Jules Vannerus weiß, ist er ein gewissenhafter Quellenforscher, der um unsere vaterländische Geschichte nennenswerte Verdienste erworben hat. Es ist mir nie eingefallen, ihm auf sein Gebiet zu folgen. Ich möchte neuerdings nur Folgendes feststellen: Brêmo au Guó ist keine Übersetzung. Wenn es auf eine Übersetzung abgesehen wäre, könnte es höchstens heißen: Brêno (nicht Brême) au Quai (Bredenes am Gestade). Da also keine Übersetzung vorliegt, können wir es nur mit einer selbständigen Namenbildung zu nur haben. Diese kann nur von jemand herrühren, der um das Vorhandensein einer Furt in Stadtbredimus wußte und dem diese Furt als ein Wesentliches an der Orischaft erschien.

In einer Broschüre, die Hr. Jules Vannerus veröffentlicht, weil seine Antwort von der „Indep. Lux.“ bisher nicht aufgenommen wurde, spielt er auf eine Arbeit von Edm. de la Fontaine an, die eine Römerfurt bei Stadtbredimus erwähnt. Er scheint also der Auffassung zu sein, daß das Gué in dem französischen Namen der Ortschaft sich auf diese Furt bezieht. Ich vermute einen andern. Zusammenhang. Die Römerfurt befindet sich ziemlich weit unterhalb Bredimus, an einer Stelle, wo die Strömung so stark und der Wasserstand über der Furt in normalen Zeiten so hoch ist, daß an eine Benutzung dieses Durchgangs nicht mehr zu denken ist. Dagegen weiß jeder Kundige, daß die Mosel an der Stelle, wo grade dem Dorf gegenüber die Strömung einsetzt, bei normaler Pegelhöhe leicht zu durchqueren ist. Das Bett bildet dort eine Art Wehrkrone. Die Annahme liegt nahe, daß französische Truppen seinerzeit diesen Umstand kannten und ausnutzten und daß damals der Name, den sie in der „Independance“ sicher nicht erfunden haben, gebildet wurde. Jedenfalls dürfte der Direktor des Blattes an der Bildung unschuldig sein.

Herr Vannerus meint, wenn man hierzuland die Ortsnamen französiere, müsse man dasselbe mit den Familiennamen tun. Das ist wohl nur scherzhaft gemeint. Herr Vannerus weiß, daß zur Änderung eines Familiennamens ein Gesetz erfordert ist. Er weiß auch, daß es eine Zeit gab, wo die Manie bestand, deutsche Familiennamen zu latinisieren und daß die lateinischen Formen in Faber, Textor, Fabricius, Gregorius und - Vannerus noch heute fortleben.

Dixi et salvavi animam mcam.

TAGS
    Katalognummer BW-AK-009-1988